„Ohne Zugriffsmöglichkeit nutzt das beste Investment nichts“

Stefan Müller ist Rohstoffexperte und Gründer der DGWA – Deutsche Gesellschaft für Wertpapieranalyse GmbH. Er beschreibt die aktuelle Marktsituation und wie Nachhaltigkeit zum treibenden Faktor auch bei Rohstoff- und Edelmetall-Investments wird.

11:03 Uhr | 02. März | 2021
Stefan Müller Bild: DGWA

Stefan Müller, CEO und Gründer der DGWA - Deutsche Gesellschaft für Wertpapieranalyse GmbH. Bild: DGWA

procontra: Herr Müller, was sind die Treiber des aktuellen Rohstoffbooms?

Stefan Müller: Rohstoffmärkte verhalten sich grundsätzlich zyklisch. In der aktuellen Situation kommen neben der unerwartet schnellen ökonomischen Erholung nach dem ersten Lockdown 2020 zwei weitere Faktoren hinzu, welche die Rohstoffpreise aktuell stark ansteigen lassen. Fest steht: Der Markt hat bislang das Tempo, mit dem die Elektromobilität nun weltweit Einzug auf die Straßen hält, lange unterschätzt. Auch durch großzügige Subventionen angetrieben, ist infolgedessen der Bedarf an Batterierohstoffen innerhalb weniger Monate massiv angestiegen. Weiterhin ist der Trend zu nachhaltigerem Leben ungebrochen und hat, ebenfalls unerwartet schnell, massiven Einfluss auf die Wertschöpfungsketten der Industrie genommen.

Immer mehr Unternehmen können, wollen oder dürfen so keine Rohstoffe mehr aus Bergwerken beziehen, deren Fördermethoden oder sonstige Umstände fragwürdig sind. Viele bestehende Bergwerke kommen daher als Zulieferer nicht mehr in Frage. Ich gehe davon aus, dass sich die Wirtschaft auch weiterhin gut entwickelt und die beiden Trends E-Mobilität und Nachhaltigkeit weiter an Dynamik gewinnen. In Summe also ein Szenario, das den Namen „Superzyklus“ verdient.

procontra: Welche Metalle sind besonders nachgefragt?

Müller: Ganz klar die Batterierohstoffe, wie zum Beispiel Lithium und Kupfer.

procontra: Warum gerade Lithium und Kupfer?

Müller: Um die Industrie grüner werden zu lassen, ist die Reduzierung respektive der Verzicht auf fossile Brennstoffe unausweichlich. Strom, auf verschiedenste nachhaltigere Arten produziert, ist und bleibt dabei alternativlos. Überall wo Strom fließt, gibt es Kupfer und überall, wo es Batterien gibt, wird es zusätzlich Lithium geben. Beide Rohstoffe sind in ihren Anwendungsbereichen elementar – und somit nur schwer ersetzbar.

procontra: Was ist mit den Klassikern wie Gold, Silber oder auch Platin und Palladium?

Müller: Wir sehen Gold eigentlich gar nicht als Rohstoff, sondern vielmehr als eigene Assetklasse. Gold ist emotional, nahezu unkorreliert zu den Aktienmärkten und das Lieblingsinvestment der Deutschen, vor allem in physischer Form. Gold gibt gefühlte Sicherheit und gehört in jedes diversifizierte Portfolio. Platin, Silber und Palladium dagegen sind sehr viel rationalere Rohstoffe und folgen der industriellen Nachfrage mehr als spekulativ motivierten Käufen oder Verkäufen, welche wir regelmäßig am Goldmarkt sehen.

procontra: Metals & Mining und Nachhaltigkeit: Wie passt das zusammen?

Müller: Bereits seit Jahrtausenden werden Rohstoffe abgebaut und der Bedarf steigt weiterhin stetig. „Einfache“ Projekte werden immer seltener, weshalb die Ausgaben der Rohstoffindustrie für Forschung und Entwicklung zu den höchsten überhaupt gehören. Neue Lagerstätten liegen immer abgelegener, tiefer oder auch unter dem Meeresboden und moderne Bergwerke sind mit dreckigen und häufig fragilen Tunnelsystemen ebenso wenig zu vergleichen wie SpaceX-Raumfahrzeuge mit der Sputnik-Kapsel. Moderne Bergwerke sind High-Tech-Projekte, voll mit modernster Software und fast ausschließlich autonomer Hardware, die unter extremen Verhältnissen absolut fehlerfrei funktionieren müssen. All das nachhaltig zu gestalten, ist vor dem Hintergrund der heutigen technischen Möglichkeiten, verbunden mit der moralischen und zukünftig wohl auch formalen Verpflichtung nachhaltiger Fördermethoden, eine lösbare Aufgabe.

procontra: Wie stellen Sie Ihr Portfolio auf, um nicht nur von der beschriebenen Entwicklung zu partizipieren?

Müller: Unser Portfolio fokussiert sich auf Industrien mit hohem Wachstumspotenzial. Gesundheit, Nachhaltigkeit und Elektromobilität sind aktuell unsere Schwerpunkte. Die meisten unserer Unternehmen sind börsennotiert, somit kann unser Portfolio von interessierten Anlegern jederzeit einfach abgebildet werden. Mit European Metals beraten wir das fortgeschrittenste Lithiumprojekt Europas in Cinovec (Tschechien). Von hier aus sollen ab 2024/2025 bedeutende Mengen der Lithiumnachfrage der deutschen und tschechischen Automobilindustrie bedient werden.  

Mit der australischen Neometals Ltd. decken wir das immer bedeutendere Thema des Batterierecycling ab. Die Gesellschaft betreibt mit der deutschen SMS-Group das Recycling Joint Venture Primobius und baut aktuell die dafür nötigen Strukturen auf. Beide Projekte werden wohl in den Genuss von europäischen Förderprogrammen kommen.

Unser Goldexposure bilden wir durch Klondike Gold ab. Die kanadische Gesellschaft besitzt die Förderrechte im legendären Golddistrikt nahe Dawson City. Hier wurden seit dem Goldrausch 1896 zirka 20 Millionen Unzen Gold geschürft. Klondike Gold sieht sich auf gutem Weg, den Ursprung dieses Flussgoldes zu finden und vermutet dort weitere substanzielle Mengen des Edelmetalls. Unser Portfolio ist dynamisch – aktuell befinden wir uns so beispielsweise in der Prüfungsphase von Seltenen-Erden- und Zinn-Projekten.

procontra: Welchen Anteil nehmen Rohstoffe und Edelmetalle in Ihrem Portfolio ein?

Müller: Wir sehen uns als fokussierte Investment Banking Boutique. Das Portfolio spiegelt daher unsere Kompetenzen wider. So haben wir Rohstoffe aktuell mit etwa 50 Prozent gewichtet, würden jedoch grundsätzlich einen Anteil von 10 bis 20 Prozent empfehlen.

procontra: Welche anderen Finanzinstrumente außer Aktien kommen für ein Rohstoffinvestment noch in Frage?

Müller: In unserem Portfolio befinden sich nur Aktien. Aufgrund der Alleinstellungsmerkmale unserer Unternehmen erwarten wir so eine Performance über die reine Rohstoffentwicklung hinaus. Reines Rohstoff-Exposure sollte durch die zahlreich angebotenen börsennotierten Produkte wie ETFs, Optionen oder für die ganz Mutigen auch per Futures abgebildet werden. Bei physischen Investments, zumeist in Gold, sollte vor allem auf einen niedrigen Spread zwischen An- und Verkaufskursen geachtet werden.

procontra: Auf was sollten Anleger beim Kauf oder Verkauf von Edelmetallen noch achten?

Müller: Die Edelmetallkurse entwickeln sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Anwendungen häufig unterschiedlich – auch hier ist also die richtige Mischung gefragt. Bei physischen Investments, so nicht unter dem Kopfkissen versteckt, sind die Verwahrorte von Bedeutung, denn ohne Zugriffsmöglichkeit nutzt das beste Investment nichts. Zusätzlich spielen natürlich die Möglichkeit der Versicherung – wie bei Schließfächern gegeben – sowie steuerliche Aspekte beim Kauf und Verkauf eine nicht unerhebliche Rolle.

procontra: Noch steigen die Preise. Lohnt sich der Einstieg in die Welt der Edelmetalle überhaupt noch?

Müller: Der Rohstoffsektor war bisher von australischen und kanadischen Akteuren dominiert, aber immer mehr und vor allem große europäische Investoren schichten ihre Portfolios in Richtung Rohstoffe um. Und so wie in den Autos zukünftig die Batterie und nicht mehr der Motor oder das Getriebe das wertvollste und wichtigste Bauteil sein werden, so werden auch die entsprechenden Unternehmen Einzug in die Portfolios finden. Die Mega-Trends E-Mobilität und Nachhaltigkeit stehen erst am Anfang und werden Investoren mit einem entsprechenden Portfolio noch lange Freude bereiten.