Ein typisches Phänomen, das in vielen Beratungsgesprächen zur Altersvorsorge auftaucht: Viele Kunden unterschätzen ihre Lebenserwartung und damit auch die damit verbundene Zeitspanne im Ruhestand. Sie orientieren sich meist an den Erfahrungswerten ihrer Eltern und Großeltern. Doch der medizinische Fortschritt, eine gesündere Lebensweise und bessere Arbeitsbedingungen haben zu einer konstant zunehmenden Lebenserwartung geführt.
Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des GDV unter den ab 1964 Geborenen setzt jeder fünfte seine Lebenserwartung und damit die Rentendauer sogar um mehr als zehn Jahre zu niedrig an. Frauen unterschätzen ihre längere Lebenserwartung im Schnitt um 5,8 Jahre. Männer liegen um durchschnittlich 2,8 Jahre darunter.
Gleicher Lebensstandard im Ruhestand angestrebt
Die zu erwartende Dauer des Ruhestands ist jedoch eine wichtige Größe für die Altersplanung. Denn wer länger lebt, benötigt auch mehr Geld. 65-jährige Männer können heutzutage mit einer statistischen Lebenserwartung von weiteren 17,9 Jahren, Frauen mit 21,1 Jahren rechnen. Klar ist schon seit langem, dass die gesetzliche Rente den Lebensstandard nicht absichern kann. Laut Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug zum Beispiel der durchschnittliche Rentenzahlbetrag für Altersrenten in den alten Bundesländern Ende 2021 für Männer 1.212 Euro und für Frauen 737 Euro. Wer zur Miete wohnt, kann davon allein insbesondere in den Metropolen kaum auskömmlich leben.
Die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland beruht auf dem Umlageverfahren und verzeichnete zwar jüngst deutliche Rentensteigerungen aufgrund von Überschüssen. Doch die Zeitbombe tickt, denn die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge werden ab 2025 in Rente gehen, die Zahl der Rentenempfänger wird deutlich ansteigen. Bei sinkender Zahl der Beitragsleistenden. Denn die Geburtenrate in Deutschland stagniert seit langem zwischen 1,5 und 1,6 Kinder je Frau. Laut Deutscher Rentenversicherung müsste sie aber bei rund 2,1 liegen, um die in Rente gehenden Arbeitnehmer auszugleichen.
Staatliche Rente gewinnt an Vertrauen
Während die Politik über die Anhebung des Rentenalters, Rentenkürzungen, bessere Einwanderungsmöglichkeiten und andere stabilisierende Faktoren für die Rente diskutiert, sollten Kunden verstärkt auf die betriebliche und private Vorsorge setzen. Derzeit scheint dies erschwert, denn die hohe Teuerungsrate erhöht einerseits den Vorsorgebedarf für die Zukunft, engt aber zugleich den Spielraum zum Sparen ein.
Dazu kommt: bei einer Gemengelage von hoher Inflation, Rezessionsängsten und geopolitischen Krisen wie dem Ukraine-Krieg vertrauen Menschen wieder mehr der staatlich organisierten Altersvorsorge. Laut einer aktuellen Trendumfrage des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) erhält die gesetzliche Rente in Sachen Vertrauen auf einer Skala von null bis zehn (bester Wert) im Durchschnitt eine Bewertung von 5,2 (Vorjahr: 3,7). Die Betriebsrente und die private Vorsorge erhalten hingegen lediglich jeweils die Note 4,5.
Die positive Beurteilung der gesetzlichen Rente ändert jedoch nichts daran, dass an privater Vorsorge kein Weg vorbeiführt. Dazu ist eine möglichst früh einsetzende umfassende Beratung breiter Bevölkerungsschichten unerlässlich. Sie wird angesichts stark steigender Lebenshaltungskosten nicht einfacher, ist aber wichtiger denn je. Insbesondere die Möglichkeiten der geförderten Altersvorsorge etwa über die Basisrente und der betrieblichen Altersvorsorge sollten klar kommuniziert werden.