Problemlöser und persönlicher Krisenmanager. Berufsbetreuer sind das in einer Person für diejenigen, die wegen Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit ihre Angelegenheiten nicht oder nicht mehr selbst händeln können – ab 2023 nach neuer Gesetzeslage dann auch verpflichtend mit einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (VSH).
Bislang ist die Gruppe eher klein. Derzeit gibt es in Deutschland ca. 17.000 berufliche Betreuer – überwiegend selbstständig oder als Vereinsbetreuer in Betreuungsvereinen oder als Behördenbetreuer bei der Betreuungsbehörde angestellt. Ein Metier, in dem neben Rechtsanwälten auch Sozialarbeiter, Psychologen, Pädagogen, Krankenpfleger, Verwaltungsfachkräfte und andere Berufe vertreten sind. Doch die Gruppe dürfte künftig wachsen. Davon geht unter anderen der Familienbund der Katholiken aus. „Das erwartet wohl auch der Gesetzgeber“, sagt Vorstand Werner Brase vom Spezialversicherer Allcura mit Blick auf die aktuelle Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts.
Denn der Bedarf ist groß, weil Familien die Betreuung Angehöriger in vermögens- und arbeitsrechtlichen, aber auch gesundheitlichen Fragen heute immer weniger leisten können beziehungsweise die familiären Strukturen das immer weniger hergeben.
Hürden bei den Antragsstellungen
Die Anzahl rechtlicher Betreuungen hat sich nach Angaben von Verbänden seit den 90er Jahren auf rund 1,3 Millionen Betreute verdoppelt. Berufliche Betreuungen machen davon knapp die Hälfte aus (47 Prozent), etwas mehr als 50 Prozent der Betreuungen sind ehrenamtlich und liegen in den Händen von Familienangehörigen. „Hohe Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit“ in den Betreuungsverhältnissen bescheinigt Brase der Zielgruppe in diesem sensiblen Bereich. Dennoch: „Schadenfälle sind da. Das liegt in der Natur der Sache“, erklärt VCU-Makler Stephan Schmidt, der hauptsächlich in Dienstleistungs- und beratenden Berufen mit dem Schwerpunkt Haftpflicht unterwegs ist. Was nach seiner Erfahrung relativ häufig vorkommt: Anträge an Behörden werden falsch gestellt, so dass Gelder von dort nicht eingehen. Oder sie werden zu spät gestellt – und es kommt zu Kürzungen. „Das bleibt beim Betreuer hängen.“ Der Nachlass könne ein weiteres strittiges Thema sein „mit Angehörigen, die Geld vermuten, wo keines ist“.
Eine Police, die berufstypische Schäden abdeckt, durch die andere einen Vermögensschaden erleiden, haben sich die Versicherer bei der Vergabe von Betreuungsaufträgen „schon immer nachweisen lassen“, so Schmidt. „Insofern haben Berufsbetreuer im Grunde schon seit Langem eine ‚Pflichtversicherung‘. Aber bis zur Reform gab es keine Auflagen, wie diese Police genau aussehen und welche Summen sie abdecken muss." Nach seiner Beobachtung sind preissensible Betreuer teilweise nur mit 100.000 Euro Versicherungssumme unterwegs, die sie nunmehr aufstocken müssen. Ein großer Teil sei auch bereits über die mindestens geforderten 250.000 Euro je Versicherungsfall hinaus abgesichert und müsse meist nur noch auf 4fach-Maximierung umstellen. „Erste Gesellschaften sind schon mit Tarifen draußen.“ Die Mehrzahl sei jedoch noch in der Findungs- und Tarifierungsphase. Den Termin fürs Beratungsgespräch kann man aber vorsorglich schon mal festmachen.
Zwischen Kür und Pflicht
Die HDI – seit Ende der 90er Jahre mit einer VSH für Berufsbetreuer am Markt – hat sich „entschlossen, ein spezielles Produkt zu entwickeln, das ganz auf die Erfordernisse einer Pflichtversicherung zugschnitten ist“. Die Gothaer will, nach Produktüberarbeitung, ein Kombiprodukt auf Basis einer Betriebshaftpflichtversicherung mit einer Komponente für die Absicherung reiner Vermögensschäden entsprechend den neuen Anforderungen zur Verfügung stellen.
Bei der Ergo sieht man „keinen nennenswerten Anpassungsbedarf“. Gleiches gelte auch für die Prämienfindung für diese Risiken, so Kai Fenneken, Bereichsleiter VSH/Financial Lines. „Gegebenenfalls anzupassende Versicherungssummen werden sich preislich in Teilen niederschlagen.“ Allcura lässt wissen: „Es wird auf keinen Fall teurer.“ Bei Hiscox ist der Pflichtschutz – nach „Relaunch des Spezialantrags für Berufsbetreuer“ – bereits erhältlich. „Nach wie vor gibt es auch die modulare Lösung aus Betriebshaftpflicht und VSH", so Underwriting Manager Mario Hartmann.
Durch Knowhow weitere Kundenkreise erschließen
Eine solche Kombination bietet auch VCU-Makler Schmidt seiner Online-Kundschaft an, bei Bedarf auch Sach oder Cyber. „Aber wir gehen damit nicht hausieren und maßen uns nicht an, gleichzeitig alle anderen Welten perfekt zu können.“ Dabei kommt es ganz darauf an, woher der Makler kommt und wohin er will. „Wenn er fürs Personengeschäft ohnehin ein Faible und vorher möglicherweise auch schon Vorsorge gemacht hat, deckt er vielleicht auch andere Lebensbereiche ab“, sagt Hartmann. So oder so: Ein Makler, der sich für das breitgefächerte Spektrum der Dienstleister vom IT-Experten bis zum Berufsbetreuer interessiert, hat nach seiner Einschätzung eine gute Entscheidung getroffen, weil der Dienstleistungssektor immer wichtiger wird.
Wer als Makler auch über freiwillige oder verschiedene Pflichtversicherungen bereits Zugang hat, ist gut positioniert. „Einige gehen mit eigenen Sonderkonzepten über Verbände, andere über Betreuungsvereine“, bezieht sich Brase auf den Markt für Betreuungsrisiken, die relativ günstig zu versichern seien. „Ein Steuerberater liegt in der Grundprämie wahrscheinlich um das Vier- bis Fünffache höher“, vergleicht VCU-Makler Schmidt. „Für die Versicherer und vielleicht auch die Maklerwelt aufgrund des höheren Prämienvolumens ist das die interessantere Berufsgruppe.“
Andererseits: Wer sich in einer Nische bewegt, baut durch die zwangsläufig intensive Beschäftigung mit dem Thema schnell viel Knowhow auf, mit dem er punkten und sich weitere Kundenkreise, auch in angrenzenden Bereichen, erschließen kann. Stichwort Empfehlungsgeschäft.