Rolle rückwärts bei Nachhaltigkeit

Namhafte Anbieter etikettieren Fonds um

Erst sind Asset Manager vorgeprescht, jetzt entfernen sie die höchste ESG-Kennzeichnung der EU von ihren Produkten. Immer mehr Kunden sind verärgert und zwingen Berater so zum Handeln.

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10:02 Uhr | 13. Februar | 2023
Neue Etiketten werden auf Tüten geklebt

Ende vergangenen Jahres wurden Artikel 9-Fonds reihenweise zu Artikel 8-Fonds zurückgestuft. Berater sollten die Umklassifizierung proaktiv beim Kunden ansprechen. | Quelle: SimonSkafar

Zahlreiche Anleger sorgen sich, Opfer von Grünfärberei geworden zu sein. Den Frust kriegen oft Vermittler ab. Diese sollten – auch, um Haftungsrisiken zu minimieren – Anpassungen im Kundenportfolio vornehmen. Mitunter wünschte ein Klient einen „dunkelgrünen“ Fonds, hat aber einen „hellgrünen“ Fonds bekommen. 

Denn gegen Ende des vergangenen Jahres stuften Vermögensverwalter reihenweise Artikel 9-Fonds zurück zu Artikel 8-Fonds. Die Klassifizierung erfolgt durch die EU-Offenlegungsverordnung. „Dunkelgrüne“ Artikel 9-Fonds verfolgen ein nachhaltiges Anlageziel, während „hellgrüne“ Artikel 8-Fonds nur ökologische und soziale Aspekte bei der Titelauswahl berücksichtigen. Daneben gibt es noch die Artikel 6-Klasse für Fonds, die in keine der beiden Nachhaltigkeitsklassen gehören. 

Zu den Anbietern, die Fonds zurückgestuft haben, gehören große Adressen wie Amundi, Blackrock, BNP Paribas, Deka, DWS und die Allianz-Tochter Pimco. Insgesamt ist bisher ein Volumen von mehr als 140 Milliarden Euro betroffen. Alle begründen den Schritt mit Widersprüchen und Unklarheiten in der Interpretation des Regelwerks der EU für nachhaltiges Investieren, also dem Komplex aus Offenlegungsverordnung, Taxonomie-Verordnung und den entsprechenden MiFid-II-Vorgaben. So sagt ein Sprecher der DekaBank auf Anfrage: „Die Umklassifizierung erfolgte aufgrund inzwischen konkretisierter Rechtsakte sowie Verlautbarungen und Rückmeldungen der Aufsichtsbehörden“. Und weiter: „Die Anlagestrategie der Fonds ist unverändert.“ 

Details liegen jetzt vor 

Tatsächlich wurden die technischen Standards der SFDR erst im April 2022 verabschiedet und traten zum 1. Januar 2023 in Kraft. Die Standards verlangen von Fondsanbietern, dass sie in vorvertraglichen Dokumenten und regelmäßigen Berichten mehr Nachhaltigkeitsinformationen offenlegen. „Im Vorfeld hatten einige Manager die Klassifizierung ihrer Fonds überprüft und Artikel 9-Produkte auf Artikel 8 herabgestuft“, stellte Morningstar fest. Im Verlauf des Jahres könnten andere nachhaltige Fonds aufgrund strengerer Vorschriften herabgestuft werden. Daher würden die Marktteilnehmer weiterhin „in einem unsicheren und sich schnell entwickelnden regulatorischen Umfeld agieren müssen“. 

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Hinzu kommt das Gezerre einiger EU-Staaten um den Status von Erdgas und Atomkraft. Beide gelten unter bestimmten Bedingungen inzwischen als nachhaltige Energieträger. Auch deswegen musste die Offenlegungsverordnung aktualisiert werden, erklärt Mikkel Bates vom Fondsdatenanbieter FE Fundinfo in einem Fachartikel. Noch immer in Geduld üben müssten sich alle bei den Definitionen zu den vier weiteren Umweltzielen der Taxonomie-Verordnung. Eigentlich sollten sie ab 2023 gelten. Allerdings umfassten allein die Anhänge der ersten beiden Ziele – diese gelten seit Anfang 2022 – schon 500 Seiten. „Daher dauert es für die nächsten vier wahrscheinlich länger als erwartet“, so Regulierungsspezialist Bates. 

Warten auf die Kommission 

Zudem wartet die Branche auf Quoten der EU-Kommission, wann ein Fonds den Begriff „nachhaltig“ beziehungsweise „ESG“ im Namen tragen darf. Bis Ende Februar laufen hierzu Konsultationen. Kurz danach wird eine Entscheidung erwartet – oder eben auch später. 

Fragt sich, warum Fondsgesellschaften in diesem unsicheren Umfeld überhaupt Produkte als Artikel 9-Fonds eingestuft haben. Die Anbieter wollten die ESG-Eigenschaften ihrer Fonds fördern, meint Bates. In etlichen Fällen ist das schief gegangen, wie die Umklassifizierungen belegen. Ein Haftungsproblem für Vermittler sieht Daniel Berger, Anwalt bei Wirth Rechtsanwälte aber nicht. „Die Herabstufung betrifft nur die Produktebene“, betont er. Auch andere Fachleute betonen, dass für die Fondseinstufung deren Anbieter verantwortlich sind. 

Gleichwohl herrscht im Markt Verunsicherung. Experten zufolge ist für eine Haftung relevant, ob sich die Anlagestrategie geändert hat, ein Fonds ab August 2022 fälschlich als nachhaltig eingestuft wurde oder mit Artikel 9 geworben wurde beziehungsweise eine solche Einstufung Gegenstand eines Beratungsgesprächs war. 

Frank Ulbricht, Vorstand beim Maklerpool BCA empfiehlt Beratern generell proaktiv auf Kunden zuzugehen. Auch Tim Bröning, Mitglied der Geschäftsleitung bei Fonds Finanz, sagt: „Zu einer guten Kundenbeziehung gehört der transparente Umgang mit Fonds-Herabstufungen. Berater sollten betroffenen Kunden die Entstehungsgeschichte der Offenlegungsverordnung und die Relevanz der Abstufungen transparent erklären können.“