procontra: Frau Knauer, ich rufe an, weil ich ein tolles neues Produkt für Sie habe.
Ulrike Knauer (lacht): Vergessen Sie es, ich bin bestens versorgt.
procontra: War das ein schlechter Einstieg? Ich hätte Ihnen jetzt gerne noch alle Vorzüge meines Angebots aufgezählt.
Knauer: Ja, und genau das ist das Problem. Die wenigsten Menschen möchten etwas verkauft bekommen. Wenn nun ein Makler anruft und einen Monolog startet, springt der Kunde in der Regel sofort ab. Das gilt besonders für die Kaltakquise, wenn es sich also nicht um einen Bestandskunden handelt, der den Makler bereits als vertrauenswürdig kennengelernt hat.
procontra: Keine Monologe also. Wie nutze ich dann die kurze Aufmerksamkeitsspanne, um zu überzeugen?
Knauer: Gar nicht. Es ist ein Irrglaube, dass es ums Überzeugen geht. Denn von anderen überzeugt zu werden, widerstrebt den meisten von uns ebenfalls. Wir möchten uns selbst von etwas überzeugen, statt in eine passive Rolle gedrängt zu werden. Das ist ein wichtiger Faktor, gerade für Vertriebler, denen ja ohnehin das Image anhaftet, dass sie anderen etwas aufschwatzen wollen. Es braucht eine andere Kommunikationstechnik.
procontra: Nämlich?
Knauer: Ich versetze mich erst einmal in die Situation des anderen. Bei einem Anruf, der vorher nicht verabredet wurde, muss ich davon ausgehen, dass der andere gerade irgendetwas zu tun hat. Ich frage: Störe ich Sie gerade? Wenn mein Gesprächspartner angibt, beschäftigt zu sein, gilt es das sofort zu akzeptieren und zu fragen, wann es besser passt. Wenn der andere zögert, fragt er sich vermutlich, wie lange das Gespräch wohl dauern wird.
procontra: Hilft es, das einzuordnen? Nach dem Prinzip: Haben Sie zehn Minuten?
Knauer: Besser nicht. Psychologisch cleverer ist, zu fragen: Darf ich gleich zum Punkt kommen? Normalerweise wird mein Gegenüber das bejahen. Dann kann ich es zum Beispiel mit Charme versuchen: Ich weiß, ich bin wahrscheinlich die dreißigste Anruferin heute, aber ich möchte Ihnen zwei Fragen zu Ihren Versicherungen stellen.
procontra: Mancher wird das trotzdem sofort abwiegeln: Ich brauche nichts.
Knauer: Ihr Gegenüber weiß ja noch gar nicht worum es konkret geht, deshalb heißt es: dranbleiben. Gehen wir das mal durch: Ich möchte Ihnen eine Frage zu Ihren Versicherungen stellen. Wo, glauben Sie, gibt es in Ihrem Schutz Optimierungspotenziale? – Ich frage an dieser Stelle ganz bewusst „wo“ und nicht, ob es welche gibt.
procontra: Ich sage als Kundin nun dennoch: Da gibt es keine, danke. Ich bin gut aufgestellt.
Knauer: Dann gehe ich als Maklerin in die Akzeptanz: Okay. Darf ich aus persönlichem Interesse fragen, wie Sie Ihr Haus und Mobiliar abgesichert haben?
procontra: Naja, die Standards eben. Ich habe eine Hausratversicherung und eine Wohngebäudeversicherung, ich bin bestens versorgt.
Knauer: Das klingt ja schon mal gut. Eine Wohngebäudeversicherung – dann haben Sie Eigentum? Elementarschutz haben Sie auch?
procontra: In meiner Rolle als Skeptikerin antworte ich: Nein, das brauche ich nicht.
Knauer: Verstehe. Es geht ja vielen so, dass sie in diesem Bereich unterversichert sind. Wenn Ihre Wohnung nach einer Überschwemmung Schaden nehmen würde, wären Sie aber nicht abgesichert. Das haben neulich viele Menschen erlebt, die im Ahrtal von der Flut betroffen waren. Wenn Sie sich des Risikos bewusst sind, ist das natürlich in Ordnung, da möchte ich Sie gar nicht belehren. Aber wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, ob Sie geschützt sind und Ihnen eine Absicherung wichtig ist, dann lassen Sie uns gerne auf Ihre Policen schauen. Wir machen einfach mal einen gründlichen Check, ob Sie gut aufgestellt sind.
procontra: Dazu eine Zwischenfrage: Sie sprechen hier das Ahrtal an und wie sich eine Unterversicherung rächen kann. Inwieweit ist es für Makler legitim, solche Bedrohungsszenarien zu eröffnen?
Knauer: Dazu gibt es eine goldene Regel: Verkauf sollte niemals aggressiv sein. Denn aggressive Verkäufer verkaufen einmal und dann nie wieder. Drohszenarien erschüttern in der Regel das Vertrauen. Deshalb würde ich an dieser Stelle eben nicht sagen: Genauso wie Sie haben viele Leute im Ahrtal gedacht und jetzt bleiben sie auf enormen Summen sitzen! Das ist Manipulation und hat im Vertrieb nichts zu suchen. In diesem Fall das Beispiel aber als einen Anknüpfungspunkt zu nennen, ist in Ordnung.
procontra: Gut, dann zurück ins Verkaufsgespräch. Als Neukundin frage ich nun möglicherweise: Was kostet mich eine Beratung denn?
Knauer: Das kostet Sie überhaupt nichts. Wann haben Sie Ihre Versicherungen zuletzt einem vollständigen Check unterzogen?
procontra: Vor acht Jahren.
Knauer: Es wäre bestimmt sinnvoll, das mal zu machen. Wann passt es Ihnen denn am besten? – Statt also gleich einen Termin vorzuschlagen, lasse ich mein Gegenüber über den nächsten Schritt entscheiden: Eine gute Frage ist auch: Wie wollen wir weiter vorgehen? Ab diesem Punkt habe ich den Fuß in der Tür.
procontra: Bei Bestandskunden kommt es auch immer wieder vor, dass Makler einen Korb kassieren. Zum Beispiel, wenn sie sich melden, weil Kunden in einer neuen Lebenssituation sind. Wie trete ich kommunikativ an sie heran?
Knauer: Frau Müller, ich habe mir nochmal Ihre Unterlagen angeschaut. Ich glaube, wir sollten mal reden.
procontra: Frau Müller will nicht: Ich habe doch schon so viele Versicherungen, es reicht doch jetzt mal endlich, das wird mir alles zu viel und zu teuer!
Knauer: Das kann ich verstehen. Aber wir haben schon lange nicht mehr geprüft, ob das alles noch für Sie passt. Das möchte ich Ihnen dringend empfehlen. Vielleicht sind Sie in manchen Bereichen überversichert, und könnten sparen und dafür an geeigneterer Stelle investieren. Ich biete Ihnen an, das für Sie unter die Lupe zu nehmen – was Sie am Ende damit machen, bleibt Ihnen überlassen. Was meinen Sie?
procontra: Ein anderes Argument: Ich habe gerade absolut kein Geld übrig für irgendwelche Versicherungen oder Fonds.
Knauer: Das verstehe ich natürlich. Darf ich fragen: Was ist denn passiert?
procontra: Ich bin gerade in Kurzarbeit und kann mir keine Extraausgaben leisten.
Knauer: Alles klar. Wie wäre das: Wir machen trotzdem mal eine Bestandsaufnahme, dann ist das schon mal erledigt und wenn Sie wieder arbeiten, haben Sie damit keinen Stress. Das kostet Sie nichts. Und in Aktion treten wir erst, wenn Sie Ihre Situation besser überschauen können. Was halten Sie davon? Hier ist entscheidend: Ich nehme meinen Gesprächspartner für voll und gehe sofort in die Akzeptanz. Es geht immer um das Bedürfnis des Kunden und die Stärkung der Vertrauensbasis. Menschen wissen es zu schätzen, wenn man ihnen zuhört. Wenn diese Person wieder in einer besseren Lage ist, wird sie sich wahrscheinlich bei mir melden.
procontra: Ein anderes Thema: Altersvorsorge. Hier besteht das Problem oft besonders in der Ansprache junger Menschen. Sie neigen zum Abwiegeln, weil sich ihre Rente noch so weit weg anfühlt.
Knauer: Ja, häufig versuchen Makler auch hier zu überzeugen und mahnen in Richtung: Überlegen Sie doch mal, wenn Sie alt sind… Besser ist es aber, im Hier und Jetzt zu bleiben, statt das kommende finanzielle Desaster vorzurechnen.
procontra: In welchen Fällen weiß ich: Hier besteht keine Chance mehr?
Knauer: Ein Makler sollte hartnäckig sein. Aber wenn der Kunde auf drei Fragen hin klar "Nein" gesagt hat, dann drehe ich das Gespräch nicht mehr um.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefällt, abonnieren Sie unseren täglichen kostenlosen Newsletter für weitere relevante Meldungen aus der Versicherungs- und Finanzbranche!