Schutz bei Vertrauensbruch immer gefragter
Kriminelle Mitarbeiter können die Firma in den Ruin treiben. Denn Gelegenheit macht bekanntlich Diebe. Und vor allem die Mitarbeiterkriminalität dürfte in diesem Jahr neue Höhen erreichen. Grund: Viele Menschen in Deutschland müssen durch Inflation, deutlich steigende Mieten und Heizkosten mit jedem Cent rechnen. Viele werden mit ihrem Haushaltsbudget ins Minus rutschen. Und dann stehen sie vor einem Dilemma. „Denn der Mensch möchte an der Gesellschaft teilhaben. Nun kann er das aber nicht mehr, weil ihm die dafür nötigen legitimen Erwerbsmöglichkeiten fehlen“, erläutert der Kriminologe Prof. Hendrik Schneider aus Leipzig. Die meisten Menschen würden dann ihre Ansprüche herunterschrauben.
Doch es gebe auch andere. Schneider: „Wenn der finanzielle Druck größer wird, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass es mehr Kriminalität gibt.“ Und nicht nur untere Lohngruppen, die von der Inflation stärker betroffen sind, können zu Tätern werden. Nach Einschätzung von Schneider kann ein Unternehmen auch von Führungskräften geschädigt werden. Wer Angst um seine Umsatzziele hat, könnte durchaus kriminell werden und etwa Aufträge durch Korruption „gewinnen“ oder sich Kurzarbeitergeld erschleichen.
Cyberschutz on top
Bei Betrug, Unterschlagung, Diebstahl oder dem Verrat von Geschäftsgeheimnissen hilft dann nur noch eine Police: Die Vertrauensschadenversicherung (VSV). Sie zahlt, wenn Unternehmen Opfer von Vertrauenspersonen, sprich den eigenen Mitarbeitern geworden sind. Auch die kriminellen Machenschaften von Zeitarbeitern oder den Mitarbeitern von Dienstleistern sind mitversichert.
Mittlerweile hat sich die klassische VSV zudem zu einer kleinen Cyber-Police verwandelt. Sie leistet auch bei vorsätzlich begangenen Taten von fremden Betrügern. Typische Fälle sind Warenbestellbetrug oder Fake-President, wo Kriminelle als vermeintliche Chefs auftreten und Mitarbeiter täuschen. Aber auch Hackerschutz bei zielgerichteten Angriffen auf die IT-Systeme ist mittlerweile über die VSV üblich. „Die VSV führt meines Erachtens ein unberechtigtes Schattendasein“, sagt der Versicherungsmakler Lars Nyolt von der VVM Voigt Versicherungsmakler GmbH aus Essen. „Denn die Police schützt die Bilanz bei unberechtigten Eingriffen in das Firmenvermögen durch Innen- oder Außentäter.“
Geringe Absicherungsquote
Tatsächlich ist ihre Verbreitung derzeit noch marginal. So gab es laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 2022 nur rund 55.000 Verträge in Deutschland. Umgerechnet auf die 3,4 Millionen Unternehmen, die das Statistische Bundesamt aktuell zählt, liegt die Absicherungsquote gerade einmal bei 1,6 Prozent.
Nun könnte die Stunde der VSV gekommen sein. Denn dass die Kriminalität bereits enorm steigt, zeigen die Schadenzahlen. So nahmen die Leistungen 2022 um 35 Prozent zu und stiegen auf 217 Millionen Euro. Dabei waren die Beitragseinahmen im vergangenen Jahr nur um 4,5 Prozent gestiegen und die Zahl der Policen nur um 3 Prozent. Immerhin: Die VSV wächst schon. Mit dem Argument der steigenden Kriminalität dürften nun noch mehr Unternehmer motiviert sein, sich zu schützen. Nach Einschätzung von R+V-Pressesprecher Joscha Denzer sind schon heute Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe sowie Handels- und Dienstleistungsunternehmen für eine VSV sehr empfänglich. Dabei sind sich alle Experten einig: Die VSV ist für alle Branchen ein sinnvoller Schutz.
Inhabergeführte Unternehmen im Irrglauben?!
Schwer ist noch immer die Vermittlung bei inhabergeführten Unternehmen. „Hier ist der Chef oft noch der Ansicht, dass er den Betrieb im Griff hat und seine Mitarbeiter kennt“, sagt Makler Nyolt. Dabei bietet die VSV einen Service, der gegen kriminelle Mitarbeiter sehr wichtig ist. „Es werden häufig auch die Kosten für Detektive oder andere aufklärende Maßnahmen übernommen“, sagt Dennis Sturm vom STC-Versicherungsmakler. „Denn wenn Mitarbeiter zu Betrugshandlungen oder einer Veruntreuung neigen, ist es wichtig koordiniert und abgesprochen vorzugehen“, rät Sturm.
Nicht ganz einfach ist die Prämienermittlung. Auf einen Vergleichsrechner können Versicherungsvermittler bei der VSV leider derzeit noch nicht zurückgreifen. Thorsten Kuhr, Chef der Bernhard Assekuranz, erläutert: „Die tatsächliche Prämie ergibt sich meist erst aus einer konkreten Risikobewertung.“
Und hier können Unternehmen ihr Risiko mindern und somit die Prämie verhandeln. Dafür ist aus Sicht des Kriminologen Schneider eine klar kommunizierte Kultur im Umgang mit Unregelmäßigkeiten und Compliance-Vorschriften notwendig. So sollten auffällige Reisekostenabrechnungen regelmäßig hinterfragt und das Vier-Augen-Prinzip wirklich gelebt werden. „Denn konsequentes Vorgehen gegen kriminelle Mitarbeiter spricht sich im Haus schnell herum und wirkt präventiv“, weiß Schneider.
Und dennoch bleibt ein Rest-Risiko und damit die VSV unbedingt notwendig. Denn potenzielle Täter suchen aktiv und gezielt nach Lücken im Kontrollsystem oder stoßen zufällig darauf. Schneider: „Wer zur Tat entschlossen ist und glaubt, er werde ohnehin nicht erwischt, blendet die negativen Folgen einer Entdeckung schlicht aus.“