Die Versuchung ist groß, den Einbruch beim Neubau auf eine Ursache zurückzuführen: stetig steigende Zinsen. Schließlich brachte billiges Geld jahrelang rege Bautätigkeit. Nur: So einfach ist es nicht.
Etwa seit Mitte 2022 hat die Europäische Zentralbank den Leitzins stetig angehoben, um die Preisentwicklung zu lenken und die Inflation zu bekämpfen. Für die Immobilienbranche wurden (Re-)Finanzierungen so teuer, dass viele ihre Projekte nicht mehr kostendeckend umsetzen können.
Negativrekord bei Baufi-Neuanträgen
Ende 2022 waren die Neuanträge für Baufinanzierungen um 43 Prozent gegenüber 2021 gesunken – Negativrekord. Prof. Dr. Joachim Wuermeling, Vorstand der Deutschen Bundesbank, hat zuletzt beim ZIA-Finance-Day wenig Hoffnung gemacht, dass Änderung in Sicht ist. Mehr noch: Weitere Zinsanhebungen sind sehr wahrscheinlich.
Nur fließt Kapital dorthin, wo es den höchsten effizienten Ertrag bringt – Neubau in Deutschland ist da kein heißer Kandidat. Dramatisch gestiegene Baukosten und erhöhte Kapitalanforderungen verstärken den Zins-Effekt zusätzlich. Folge: Der Bausektor ist mittlerweile fast zum Erliegen gekommen.
Gerade weil die Geldpolitik Sache der EZB ist, müssen die politischen Akteurinnen und Akteuren in Deutschland da aktiv werden, wo sie selbst steuern können. Es braucht:
• Ein großvolumiges KfW Kreditprogramm für Wohnungsbau ohne Regulatorik und mit Zinsen unter zwei Prozent
• Konsequente Erweiterung der Neubauförderprogramme
• Korrektur der laufenden Sonder-Afa ohne Deminimis-Regeln mit marktgerechten Kappungsgrenzen
• Lockerung zu scharfer Kreditrichtlinien
Vor allem: Die „Staatsquote“ für das „Gut Wohnen“ muss runter. Konkret: Zumindest temporär Abschied von hohen Grunderwerbsteuern, Gewinnabschöpfungsmodellen und Eingriffen in den Wohnungsmix.
Dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck signalisiert hat, dass künftig auch professionelle Vermieter von Wohn- und Gewebeimmobilien Sonder-AfA für energetische Modernisierung bekommen könnten, belegt: Bei der Modernisierung tut sich gerade etwas. Vor allem deutet dieses Signal auf wachsende Sensibilität für die Lage der Branche hin. Die braucht es jetzt auf breiter Front. Denn es steht viel auf dem Spiel. „Exitus Neubau“ hätte fatale Folgen für die Wohnungspolitik, für die Volkswirtschaft und fürs Zusammenleben in diesem Land.