Werden Versicherer und Vermittler jetzt die Welt retten? Der Eindruck drängt sich auf, wenn man all die Aktivitäten in der Branche rund um das Thema Nachhaltigkeit beobachtet. Spätestens seit Inkrafttreten der EU-Offenlegungsverordnung im März 2021 strebt auch die Versicherungsbranche an die Spitze des Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit.
Finanzberater wie insbesondere Versicherungsmakler müssen seit August im Rahmen der Anlageberatung die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abfragen und dazu passende Produkte empfehlen. Demnächst kommt diese Pflicht wohl auch auf (Honorar-)Finanzanlagenvermittler gemäß 34f und 34h GewO zu. Ein aktueller Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima sieht die Abfragepflicht für 34f-ler und 34h-ler vor. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen.
Jeder Zweite wünscht ESG-konforme Produkte
Bei den meisten Kunden dürfte Interesse an einer nachhaltigen Geldanlage vorhanden sein. Das belegen Studien. Zuletzt ist die Bedeutung aber zurückgegangen. Laut einer Umfrage von Simon-Kucher & Partner zu ESG – also Environment, Social und Governance – hält jeder zweite Befragte es für wichtig, dass bei künftigen Versicherungskäufen die Produkte ESG-konform sind. Im November 2021 lag dieser Wert noch bei 58 Prozent. Der Grund für den Rückgang seien die aktuellen Krisen.
Gleichwohl betont Dirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner bei der Strategieberatung: „Der Trend zu Nachhaltigkeit ist für die Versicherungsbranche weiterhin von großer Bedeutung.“ Und: „ESG-konforme Produkte, nachhaltige Vertriebsmodelle und verifizierte Partner für die Schadensregulierung bieten nach wie vor die Möglichkeit, Kunden denen ESG am Herzen liegt, an sich zu binden.“
Vermittler bauen „grünes“ Produktportfolio
Vermittler, die dieser Vorstellung folgen, sollten sich über die Zusammenarbeit mit entsprechenden Anbietern ein ESG-konformes Produktportfolio aufbauen. Das Problem: Bei den Produktgeber ist die Unsicherheit groß, ob Produktversprechen auch gehalten werden. Offenbar hinterlassen die „Greenwashing“- Vorwürfe von Verbraucherschützern und Nichtregierungsorganisation ihre Spuren. Ohnehin ist die Datenlage noch dürftig. Hier sind die Versicherer zu einem erheblichen Teil insbesondere auf die Mithilfe von Gewerbe- und Industrieunternehmen, Handwerksbetriebe und Immobiliengesellschaften angewiesen. Oft fehlen dort allerdings noch die notwendigen Strukturen, um Daten in ausreichend hoher Qualität bereitstellen zu können.
Wie nachhaltig die Assekuranz ist, hat Franke und Bornberg im ESG-Report 2022 untersucht. Im Vergleich zur Studie des Vorjahres sei die Branche „auf einem guten Weg“. Aber das Analysehaus konstatiert auch, dass es „ESG-Pioniere, Mitläufer und Nachzügler“ gibt. Insgesamt habe Franke und Bornberg 26 Versicherer ausschließlich anhand eigener Analysen und Recherchen untersucht. Kriterien seien zum Beispiel der eigene Wasser- und Stromverbrauch, Angebote für die Gesundheitsförderung der Mitarbeiter und natürlich der größte Hebel, die ESG-Orientierung der Kapitalanlage.
Häufiger heißt es: „Du kommst hier nicht rein“
Strategien für nachhaltige Kapitalanlagen gebe es einige. Am weitesten verbreitet seien Ausschließlichkeitskriterien. Sie definierten vorab, in welche Staaten, Branchen oder Unternehmen nicht investiert werden darf. 19 von 26 Versicherer setzten auf diesen Ansatz (siehe Grafik).
Dass die Versicherer bei ihrem Negativkriterien – frei nach dem Motto: „Du kommst hier nicht rein“ – die Messlatte höher legen, zeigt die folgende Grafik.
In den vergangenen Wochen hat Franke und Bornberg die ersten Ergebnisse eines neues ESG-Unternehmensratings veröffentlicht. Demnach erhalten die Versicherer Barmenia, Generali und Zurich die Gesamtnote „Sehr gut“. Die Teilnahme an dem Rating ist allerdings freiwillig und die Bereitschaft mitzumachen „aktuell noch sehr unterschiedlich“, wie Geschäftsführer Michael Franke mitteilt.
Blick in die Historie hilft
Auch deshalb gestaltet sich die Suche nach ESG-konformen Produkten für Vermittler äußerst schwierig. Anhaltspunkte finden sich immerhin in der Historie. Zu den Versicherern, die zum Teil seit mehreren Jahren überdurchschnittlich viele grüne Versicherungsprodukte im Angebot haben, gehören zum Beispiel Concordia Oeco, Die Bayerische mit ihrer Tochter Pangaea Life, Stuttgarter, Volkswohl Bund und Waldenburgische. Hierauf weisen Finanzberater mit Fokus auf nachhaltige Versicherungen hin.
Die Stuttgarter ist seit 2013 mit dem Produkt GrüneRente am Markt. Dem Versicherer zufolge ist das Angebot in allen drei Schichten der Altersvorsorge verfügbar. Die Produkte Pangaea Life Invest und Pangaea Life bAV Invest wiederum wurden soeben von dem Analysehaus Morgen & Morgen mit dem Sustainable Award in Finance ausgezeichnet. Die drei genannten Produkte gehören zu den eher bekannten „grünen“ Angeboten im Markt. Andere Anbieter ziehen nach – allerdings vorsichtig.
Zurückhaltung bei Award-Teilnahme
Wie der Pressemitteilung von Morgen & Morgen zur Preisverleihung zu entnehmen ist, hat das Analysehaus in den vergangenen Jahren rund 50 Produkte bewertet und 19 davon mit entsprechender Urkunde ausgezeichnet. Im dritten Jahr der Award-Vergabe hätten sich fünf Anbieter mit sechs Produkten beworben. Drei Produkte dürften sich nun mit der Auszeichnung schmücken. Neben den beiden Pangaea-Life-Angeboten in den Kategorien Environment und Social noch ein Sozial-Anleihe-Programm der Bank Berlin Hyp in der Kategorie Social.
Dass nur fünf Produktgeber an dem Wettbewerb teilnahmen, ist ein weiterer Hinweis, dass derzeit noch viel Unsicherheit im Markt herrscht. Die Welt zu retten, ist dann doch nicht so leicht.