Nachhaltigkeit

Grüne Innovationen im Fokus?!

ESG-Kriterien haben nur schwachen Einfluss auf eine nachhaltigere Wirtschaft, bemängeln Kritiker. Geeigneter sei es, auf technologische Innovationen zu setzen, die den ökologischen Fußabdruck verkleinern.

08:01 Uhr | 11. Januar | 2023
Gesicht aus Bäumen

Nach einer aktuellen Veröffentlichung motivieren die Nachhaltigkeitsziele der EU Unternehmen dazu, ihre kritischen Geschäftsanteile auszugliedern. Ökonomen schlagen stattdessen vor, in Innovationen zu investieren. | Quelle: metamorworks

Das Thema „Nachhaltigkeit“ bei der Kapitalanlage hat sich mittlerweile fest etabliert, auch wenn weiterhin die Definition von Nachhaltigkeit sehr beliebig ist. Eine der gängigsten Systematiken, nach denen Kapitalverwalter das Thema adressieren, ist die Anlageauswahl nach ESG-Kriterien, also nach bestimmten Umwelt-, Sozial- und Führungsstandards. Viele nutzen hierfür ESG-Ratings von Anbietern wie MSCI, die auf Best-in-Class-Ansätzen beruhen. „Allen diesen Ansätzen ist gemein, dass sie keine Impact-Investments darstellen und damit nicht zukunftsorientiert sind“, meinen die Autoren Andreas Beck und Lucas von Reuss in ihrer Veröffentlichung „Grüne Geldanlagen nur für Farbenblinde?“. Sie bedienten nicht das eigentliche Ziel der EU, privates Kapital für den notwenigen Umbau der Wirtschaft zu mobilisieren, sondern privilegierten Unternehmen, die von keinem kritischen Bestandsgeschäft belastet sind, etwa Software-Firmen. Alteingesessene Unternehmen würden nicht mit Kapital für den Umbau versorgt, sondern dazu motiviert, ihre kritischen Geschäftsanteile auszugliedern und an Non-ESG-Investorengruppen zu verkaufen. „Der Effekt für die Gesellschaft ist dabei gleich Null“, kritisieren die Autoren.

Eine BU-Versicherung ist besonders günstig, wenn man sie in jungem Alter abschließt. Dies geht sogar schon als Schüler oder als Student. Da die Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit mit zunehmendem Alter immer weiter ansteigt, zahlt man bei einem Vertragsabschluss in höherem Alter auch deutlich höhere Beiträge. Bei einem frühen Beginn verteilt sich die Beitragslast dagegen auf einen langen Zeitraum und die vielen Jahre mit geringerem Risiko wirken sich günstig aus. Diese Möglichkeit des Sparens ist auch deshalb zu empfehlen, weil die möglichen langjährigen finanziellen Folgen bei einer Berufsunfähigkeit am Anfang der Karriere besonders dramatisch sind. Bild: Adobe Stock/NDABCREATIVITY

Sie schlagen vor, in Innovation zu investieren. „Nur durch effizientere Prozesse und bessere Produkte mit niedrigerem ökologischen Fußabdruck lassen sich aus Unternehmenssicht die Probleme lösen, welche die Gesellschaft lösen möchte“, argumentieren sie. Abseits von Verzicht der Verbraucher könne nur Innovation nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen. Investition in Innovation heißt nach ihrem Ansatz, Kapital in Unternehmen anzulegen, die Patente auf relevante technische Lösungen für die Fragestellungen ökologischer Nachhaltigkeit halten, unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit. Datengrundlage für solche „grünen“ Patente ist das „Green Inventory“, das „grüne Verzeichnis“ der Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO (siehe auch Interview).

Nur durch effizientere Prozesse und bessere Produkte mit niedrigerem ökologischen Fußabdruck lassen sich aus Unternehmenssicht die Probleme lösen, welche die Gesellschaft lösen möchte.
Lucas von Reuss

 

Patente börsennotierter Unternehmen unter der Lupe

Auf dieser Basis ließen sich „bei sauberer Bearbeitung der Daten aus Patentdatenbanken Rückschlüsse auf den Impact tätigen, den einzelne Unternehmen bei der Lösung ökologischer Probleme haben und haben werden“, erläutern die Autoren. Unter den fünfzig börsennotierten „herausragenden Unternehmen bezüglich grüner Erfindungen“ steht nach ihrem Ansatz der deutsche Zulieferungsbetrieb für die Maschinen- und Automobilindustrie Schaeffler an der Spitze. Auf den nächsten Plätzen folgen die japanischen Konzerne Denso, ein Anbieter von Produkten für Korrosionsschutz und Straßenbau und Sumitomo Electric. Canadian Solar ist das einzige Unternehmen in der Liste, das allein im Bereich erneuerbare Energie aktiv ist.

Die Verfasser des Arbeitspapiers „The ESG-Innovation Disconnect: Evidence from Green Patenting“, „Die ESG-Innovationsabkopplung: Beweise aus der grünen Patentierung“ legen sehr ähnlich dar, dass vielfach gerade Unternehmen mit schlechteren ESG-Noten mehr grüne Patente von zugleich deutlich höherer Qualität anmelden als andere: „Insbesondere stellen wir fest, dass öl-, gas- und energieproduzierende Unternehmen – Unternehmen mit niedrigeren ESG-Bewertungen, die oft explizit aus dem Anlageuniversum von ESG-Fonds ausgeschlossen werden – wichtige Innovatoren in der grünen Patentlandschaft der USA sind.“ Dies werfe die Frage auf, ob die derzeitigen Ausschlüsse vieler ESG-orientierter Strategien optimal sind oder ob belohnungsbasierte Anreize zu effizienteren innovativen Ergebnissen führen. Basis dieser Untersuchung von Cohen, Gurun und Nguyen ist die Patentklassifizierung des europäischen Patentamtes. Als grün gelten dort Patente auf umweltbezogene Technologien aus zahlreichen Bereichen, etwa Transport, Energiegewinnung und Warenproduktion.

 

Erfindungen einzustufen hat seine Tücken

Technologien und Patente darauf als fördernd für die ökologische Nachhaltigkeit einzustufen, ist allerdings nicht immer ganz eindeutig. Dazu kommen generelle Fragen bei der Patentierung selbst. Heiner Flocke, Mitgründer und Geschäftsführer der Produktionsfirma für integrierte Schaltkreise IC-Haus und Vorstandsvorsitzender des Patentvereins meint: „Ein integrierter Schaltkreis, der besonders stromsparend ist, ist zwar ökologisch nachhaltig, aber nicht per se für eine Patentierung ausreichend erfinderisch.“ Hinzu komme, dass Patent nicht unbedingt Innovation heißen muss. „Taktisch agierende Patentanmelder erzeugen ein Dickicht aus Patenten, teilweise auch schwachen Patenten, aus denen sie vermeintliche Verletzer des Patentschutzes angreifen“, sagt Flocke. Zu viele nur vermeintliche Erfindungen würden die Prüfungshürden durch überlastete Patentämter für europäische und weltweite Patente passieren. Ämter, die sich selbst finanzieren, etwa das europäische Patentamt, seien auch an einer großen Zahl an Patenten interessiert. Denn deren Etat komme im Wesentlichen aus den Beträgen, die Patentinhaber für den Erhalt ihres Patentschutzes zahlen.

„Meine Meinung zu Patenten ist von daher durchwachsen. Wir brauchen sie! Es müssen aber im Sinne des Patentgesetzes und zum Nutzen einer Industriegesellschaft gute Patente sein, mit echter Erfindungshöhe und von guter Qualität, die dann auch in einer vollumfänglichen Prüfung vor einem Patentgericht standhalten“, betont Flocke. Es komme für ihn auf eine neuartige technische Ausführungsform an.

Auch von Reuss sieht die Kritikpunkte am Patentsystem. „Jemand kann ein Patent etwa allein deshalb anmelden, um etwas zu blockieren. Das mag ihm am Markt etwas Zeitaufschub geben. Mittel- und langfristig wird diese Strategie für ihn aber nicht funktionieren“, meint er. Generell fänden Innovationen heute sehr viel kleinteiliger statt als zum Beispiel vor 100 Jahren, als die großen Erfindungen, von denen wir heute noch zehrten, gemacht wurden. „Das liegt daran, dass wir in einer sehr viel komplexeren Welt leben als damals“, sagt von Reuss. „Auch wenn viele kleine Dinge zusammengeführt werden, können sie eben doch viel Innovationskraft entfalten.“