Risikoprüfer bei der Baloise

BU-Voranfragen: „Transparenz ist extrem wichtig.“

Welche Auswirkungen psychische Erkrankungen auf die Risikoprüfung eines BU-Antrags haben und welche Fehler Makler unbedingt vermeiden sollten, erklärt Michael Kowol, Abteilungsleiter Underwriting/Leistung bei der Baloise.

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10:02 Uhr | 08. Februar | 2023
Michael Kowol, Abteilungsleiter Underwriting/Leistung bei der Baloise

Michael Kowoll, Abteilungsleiter Underwriting/Leistung bei der Baloise | Quelle: Baloise

procontra: Wie können Makler es dem Versicherer leichter machen bei einer BU-Risikovoranfrage, gerade wenn der Interessent eine psychische Vorerkrankung hat?

Kowol: Sie können schon vorab eine Risikoprüfung machen. Mit dem Tool Vers.Diagnose z.B. können sie gemeinsam mit ihrem Kunden prüfen, ob es überhaupt Chancen auf eine BU gibt. Wenn Makler uns eine Voranfrage schicken, sollten sie detailliert angeben: Wann und innerhalb welchen Zeitraums wurde der Kunde behandelt? Transparenz und Vollständigkeit sind im Anfrage- und Prüfprozess extrem wichtig, um für Kunden, Makler und Versicherer eine gute Lösung zu finden.

procontra: Welche Fehler können Makler bei der Voranfrage noch machen?

Kowol: Ich würde nicht von Fehlern sprechen. Hilfreich sind aber immer genaue und ausführliche Angaben. Nicht empfehlenswert ist aus unserer Sicht, Kunden gleich zu einem Produkt zu beraten, also in die BU-Falle zu tappen. Oder wenn Makler einen Antrag einreichen, bevor sie eine Risikovoranfrage gestellt haben. Dann kann es nur Verlierer geben: Makler und Kunde verlieren, weil sie Zeit und Mühen investiert haben. Muss ein Versicherer einen Kunden dann ablehnen, verliert auch er, weil dadurch die Ablehnungsquote steigt. Daher ist es empfehlenswert das Risiko zu Beginn der Beratungsstrecke prüfen zu lassen.

procontra: Wie viele Voranfragen lehnen Sie ab?

Kowol: Zu Spitzenzeiten erreichen uns täglich 200 Risikovoranfragen, darunter etwa 75 Prozent BU-Anfragen. Insgesamt müssen wir etwa 15 Prozent ablehnen.

procontra: Wie prüfen Sie die Voranfragen?

Kowol: Immer individuell, denn es gibt nicht die eine psychische Erkrankung. Wir lassen da keine Maschine drüber laufen. Individuell prüfen bedeutet auch, dass wir den Gesundheitszustand im Hinblick auf den ausgeübten Beruf checken. Wir betrachten also das Gesamtbild bei der Risikovoranfrage, um dann ein finales Votum zu abzugeben.

procontra: Bei welchen Interessenten läuten bei Ihnen die Alarmglocken?

Kowol: Wer lange arbeitsunfähig war, starke Medikamente genommen und eine schwere Diagnose bekommen hat wie Schizophrenie, eine Bipolare Störung oder eine schwere Depression: bei solchen oder ähnlichen Krankheitsbildern können wir nicht BU-versichern. Wir überprüfen nach drei Anhaltspunkten: 1. Wie lange ist jemand aus psychischen Gründen krankgeschrieben? 2. Wurden Medikamente verschrieben und genommen und wenn ja, in welchem Zeitraum? 3. Wie oft und wie lange wurde der Kunde behandelt? Man kann also zwischen einer „leichten, mittleren und schweren“ psychischen Erkrankung unterscheiden. 

procontra: Lässt sich das so trennscharf voneinander abgrenzen?

Kowol: Natürlich kann das eine auch zum anderen werden. Ich bin selbst oft hin- und hergerissen. Wer zum Beispiel wegen eines Todesfalls – also anlassbezogen – krank war und sich zwei Wochen rausgezogen hat, um Dinge zu regeln: Hier ist BU-Schutz denkbar. Es kommt auch darauf an, wie lange eine Erkrankung her ist. Bei über 30-Jährigen fragen wir fünf Jahre ambulant und zehn Jahre stationär nach. Bei Kunden unter 30 Jahren fragen wir nur drei Jahre rückwirkend nach und schauen genauer hin. Außerdem kommt es auf den Zusammenhang zwischen psychischer Erkrankung und Beruf an: Wer unter Flugangst leidet, aber Flugbegleiter werden will, für den ist das Thema problematisch. Für eine Verkäuferin nicht unbedingt. Deswegen ist die individuelle Prüfung entscheidend.  

procontra: Aber Interessenten mit einer leichten Depression bekommen den Schutz?

Kowol: Wer mit einer leichten Depression trotzdem arbeitsfähig ist, dem bieten wir einen Ausschluss an. Dann muss der Kunde entscheiden, ob er trotzdem bereit ist, die volle Prämie zu bezahlen.

procontra: Wie gehen Sie damit um, dass immer mehr Menschen präventiv eine Therapie nutzen? Sie sind ja nicht zwingend krank.

Kowol: Absolut und das ist das Spannungsfeld, in dem wir agieren. Aber immer mehr Menschen haben auch tatsächlich eine psychische Erkrankung. Oft können wir dann zumindest eine Grundfähigkeit anbieten oder eine BU-Versicherung mit Leistungsausschluss für psychische Erkrankungen. Für uns ist immer die Frage: Wie groß ist das Risiko des BU-Eintritts aufgrund einer Vorerkrankung? Wie wahrscheinlich ist es, dass angesichts eines spezifischen Krankheitsbildes eine lange Ausfallzeit und Leistungsfall entsteht? Der Kunde hingegen sagt: Eine Therapie ist doch normal. Tritt so etwas innerhalb des Abfragezeitraums auf, müssen wir das eben sehr gut prüfen. Gewissenhaftigkeit und Fairness gegenüber den zu prüfenden Antragstellern, aber auch Verantwortung für die Gemeinschaft der Versicherten. beides nehmen wir sehr ernst.