Gewerbeversicherungen

„Alle wollen auf diesem Markt mitspielen“

Zunehmend entdecken Anbieter den Markt für Gewerbe- und Industrieversicherungen. Tobias Wenhart, Geschäftsführer von Finanzchef24, sieht großes Wachstumspotenzial. Doch wie können neue Kunden gewonnen werden und was ist bei der Ansprache zu beachten?

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14:10 Uhr | 26. Oktober | 2021
Tobias Wenhart

„Immer mehr Versicherer fokussieren sich auf das Gewerbesegment“, sagt Tobias Wenhart, CEO des Münchener Insurtechs Finanzchef24, einem Vergleichsportal für Gewerbepolicen. | Quelle: Finanzchef24

Der Markt für Gewerbeversicherungen ist hart umkämpft: „Immer mehr Versicherer fokussieren sich auf das Gewerbesegment“, sagt Tobias Wenhart, CEO des Münchener Insurtechs Finanzchef24, einem Vergleichsportal für Gewerbepolicen. Spartenübergreifend sei die Anzahl der Versicherungsanträge beim Online-Vertrieb gestiegen. Besonders der Markt für Gewerbeversicherungen für kleine bis mittelständische Unternehmen sei im Kommen. „Eine wachsende Nische. Alle wollen auf diesem Markt mitspielen“, so Wenhart bei der Präsentation des aktuellen Gewerbeversicherungsreports.

Besonders starke Zuwächse verzeichnet er bei der Managerhaftpflicht- und Rechtschutzversicherung, die Vorstände und Aufsichtsräte gegen Ansprüche des Unternehmens oder Dritter schützt. Allerdings steige allein die Nachfrage, die Zahl der Abschlüsse hingegen stagniere. „Die Nachfrage trifft nicht das Angebot“, so Wenhart. Das läge schlicht daran, dass viele Versicherer die Prämien mittlerweile deutlich erhöht oder die Zeichnungsrichtlinien verschärft hätte. Andere seien gleich ganz aus dem Geschäft ausgestiegen. Kein Wunder angesichts prominenter Fälle bei Großkonzernen wie VW.

Corona-Pandemie führt zu gesteigerter Nachfrage

Auch die Rechtsschutzversicherungen seien stärker nachgefragt worden. Die Corona-Pandemie habe sich dabei als Treiber für die Nachfrage herausgestellt. „Es gibt insgesamt Zuwachsraten von deutlich über einhundert Prozent“, so Wenhart. Die durch die Einschränkungen zunehmend ausgebaute digitale Infrastruktur habe demnach zu attraktiveren Tarifen und zu besseren, weil auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Angeboten geführt.

Durch die Pandemie habe sich überhaupt erst gezeigt, welche Produkte zwar stets im Portfolio der kleinen und mittelständischen Unternehmen mitgeführt, aber nie verbessert oder aktualisiert worden seien. Stichwort: Betriebsschließungspolicen. Sie wurden im Zuge der Lockdowns nachgefragt und: „Nichts hat gepasst.“ Umso schwerer sei es heute, Kunden davon zu überzeugen, dass die Police dennoch sinnvoll sei. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass manche Versicherer sich nun von der Sparte trennen beziehungsweise Pandemien aus den Vertragsbedingungen ausschließen, werde die Situation nicht leichter.

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Durch die Pandemie sind immer mehr Angestellte ins Homeoffice gegangen, meist ohne besonderen Schutz der IT-Infrastrukturen. Das Ergebnis: Cyberattacken haben in bisher unbekanntem Ausmaß zugenommen. Umso mehr verwundert es, wie gering die Nachfrage nach entsprechendem Schutz sei: „Noch sind Cyberversicherungen im Gewerbebereich nicht angekommen“, so der Finanzchef24-CEO. Ein Grund: der hohe Preis der Policen. Er plädiert für eine Anpassung der Cyberpolicen, damit sie auch in der Breite angenommen werden.

Ein weiteres Momentum waren die diesjährigen Unwetterereignisse, die das Interesse im Allgemeinen an Versicherungen und im Besonderen am Elementarschutz gesteigert hätten. Zumal zu befürchten sei, dass die Schadenhäufigkeit durch Naturkatastrophen zunehmen werde und Gebiete, die bisher nicht als Risikogebiete deklariert worden waren, in Zukunft eben doch betroffen sein könnten. „Die Nachfrage wächst.“

Tipps für die Kundengewinnung

Doch auch wenn die Nachfrage wächst, ist es ein weiter Weg bis zum tatsächlichen Vertragsabschluss. Eine der größten Hürden dabei: die zum Teil unverständliche Fachterminologie gepaart mit viel zu komplexen Fragebögen, die Kunden auch heute noch oft auszufüllen haben. „Oft ist nicht mal Experten klar, was nun abgedeckt ist.“

Der Finanzchef24-CEO sieht deswegen in verständlicheren Verträgen den Dreh- und Angelpunkt für die Kundenakquise: „Werden die Komplexitäten aus den Versicherungen rausgenommen, sind die Produkte dadurch klarer.“ Nicht nur lasse sich auf diese Weise auf beiden Seiten besser verstehen, welche Produkte ganz konkret welche Leistungen abdecken. Vielmehr seien die Leistungen dadurch auch besser miteinander vergleichbar. Die Vergleichbarkeit von Tarifen stehe im Zentrum der Kundenbedürfnisse.

Wenhart beobachtet, dass gerade die jüngere Zielgruppe wesentlich individueller angesprochen werden wolle. Insgesamt gebe es branchenübergreifend große Verhaltensunterschiede beim Thema Vertragsabschlüsse: Während Bauarbeiter eher mobil „unterwegs sind“ und Policen fast ausschließlich online abschließen, nutzten Steuerberater oder Journalisten eher den Laptop. „Frisöre rufen gerne an“, resümiert er.

Die Hybridisierung, also das Nebeneinander von On- und Offline-Kommunikation bezeichnet Wenhart als einen derzeitigen Trend. Dazu gehöre auch, dass man als Anbieter nicht mehr den Fokus daraufsetze, welche Policen man einem Kunden verkaufe, sondern in erster Linie erst einmal verstehen müsse, wer der Kunde eigentlich ist. „Weg von der Sparte hin zur Ganzheitlichkeit.“