Schutzmantel für Bitcoins?
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über Kryptowährungen berichtet wird. Mal sind es die schier unglaublichen Kursschwankungen, die Anleger in Atem halten. Ein anderes Mal sind es Tweets von Tesla-Unternehmer Elon Musk, die den Run auf die digitalen Münzen befeuern. Ein kürzlich erlassenes Gesetz erlaubt es institutionellen Anlegern nun bis zu 20 Prozent ihres Volumens in Bitcoin und Co. zu investieren.
Wenn immer mehr Privatanleger und Unternehmen in Kryptowährungen investieren, ist die Frage, wie sich angesichts zunehmender Hackerangriffe die digitalen Münzen versichern lassen und vor allem: welche der über 6.500 existierenden Währungen (Stand: September 2021)? „Versicherungsunternehmen sollten sich zunächst mit Bitcoin und Ethereum beschäftigen. Damit sind 70 Prozent des gesamten Krypto-Währungsmarktes abgedeckt“, sagt Experte Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC).
Vor einem Jahr hat der Versicherungsriese Lloyd‘s gemeinsam mit dem Versicherer Atrium eine Police für britische Kunden eingeführt, um Kryptowährungen vor Diebstahl oder anderen böswilligen Hacks zu schützen. Doch hierzulande gibt es mit Krypto-Versicherungen nur wenig Erfahrung. „Auch Makler kennen sich kaum mit dem Thema aus“, sagt Jan Blumenthal, Hauptbevollmächtigter für Lloyd‘s Deutschland. Doch: „In Kongruenz zur Steigerung des Marktanteils von Kryptowährungen werden auch die Versicherungsmöglichkeiten zunehmen.“ Die Versicherungsunternehmen würden derzeit erst einmal ausprobieren, wie eine Abdeckung in dem Bereich funktionieren kann.
Dieses vorsichtige Vorgehen liege, vermutet Forscher Sandner, vor allem an der Komplexität des Themas. „Nur 15 bis 20 Prozent haben die Kryptowährungen und die dahinterstehende Technologie verstanden“, sagt Lloyd‘s-Mann Blumenthal. „Die Gefahr ist groß, einen Denkfehler zu machen oder Risiken nicht vollständig abzubilden.“ Deswegen müsse man externe IT-Berater beauftragen, die im Schadenfall den Versicherern erklären, was konkret passiert ist. Das Problem dabei: „Es gibt nur sehr wenige.“
Hausratpolice greift zu kurz
Krypto-Policen sind allerdings noch aus einem anderen Grund komplex: „Sie sind nach aktueller Rechtsprechung nicht als „Sache“ nach §90 BGB definiert und fallen damit nicht automatisch unter versicherte Sachen einer Hausratversicherung“, erläutert Alina Sucker, Underwriting Manager Art & Private Clients bei Hiscox, einem auf Cyberkriminalität spezialisierten Versicherer. Das bedeutet: Zuerst müsste eine eigene Definition in den Vertragsbedingungen geschaffen werden. „Ein Schadenfall in Bezug auf Kryptowährungen ist in der Regel einem Cyberschaden zuzuordnen und hat daher wenig mit der Schadenbearbeitung einer klassischen Hausratdeckung – in der beispielsweise der Diebstahl von Bargeld mitversichert ist – zu tun“, so Expertin Sucker.
Angesichts des noch überschaubaren Marktes und enormen Klärungsbedarfs, klingt der Aufbau von teurer Expertise erst einmal wenig rentabel. Doch werden uns Kryptowährungen auch weiterhin begleiten, sind Blumenthal und Sandner überzeugt. Entsprechend leichter werden es jene Versicherer in Zukunft haben, die sich bereits jetzt mit dem Thema beschäftigen. Zum aktuellen Angebot in Sachen Krypto-Police halten sich jedoch alle sehr bedeckt, MunichRe will sich zu dem Thema nicht äußern. Weitere Unternehmen, denen nachgesagt wird, sie führten Krypto-Policen im Portfolio, hüllen sich ebenfalls in Schweigen. „Die Zurückhaltung betrifft auch den Lloyd´s Markt. Jeder will erst einmal Erfahrungen sammeln und keine falsche Erwartungshaltung wecken“, vermutet Blumenthal.
Dreh- und Angelpunkt: Das Passwort
Aber wie lassen sich Kryptowährungen überhaupt versichern? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst verstehen, wie die Coins gespeichert werden. „Man kann sie direkt besitzen zum Beispiel auf einem USB-Stick zuhause in der Schublade, dann müsste der USB-Stick versichert werden. Oder man lagert die Bitcoins bei einer Krypto-Börse wie Coinbase, die BSDEX, Nuri oder Bitcoin.de, dann müssten sie über die Börse versichert werden“, erklärt Forscher Sandner. Um an die Bitcoins zu kommen, bedarf es des komplexen Passworts, eines Codes aus Zahlen und Buchstaben, den Nutzer beim Kryptokauf erhalten. „Die Versicherung des Passworts ist der Dreh- und Angelpunkt: Es geht um die Verwahrung der privaten Passwörter“, erklärt Sandner. Ein Versicherer müsste also prüfen, wie sicher das Passwort verwahrt wird. Doch das sei im Privatbereich nahezu unmöglich, weil niemand kontrollieren könne, wer Zugang zum Passwort hat. „Das wäre so als wollte man einen Waffenschrank versichern, von dem man nicht weiß, wo er steht, ob er abgeschlossen ist oder ob er sich leicht raustragen lässt.“
Dennoch bietet Hiscox exakt eine solche Privatkunden-Police an, nämlich im Rahmen einer „Cyberdeckung, die den Diebstahl von Kryptowährungen mit bis zu 10.000 Euro abdeckt“, so Underwriting Managerin Sucker. „Wir vertrauen unseren Kunden in Bezug auf den vorsichtigen Umgang mit ihren virtuellen Währungen.“ Doch inwieweit Vertrauen allein genügt, um den „Krypto-Waffenschrank“ zu versichern, sei dahingestellt. Zumal 10.000 Euro marginal sind, wenn man sich den derzeitigen Tageswert eines Bitcoins, der bei knapp 40.000 Euro (Stand: 14. September 2021) liegt, ansieht.
Kryptopolicen im Gewerbebereich
Blockchain-Forscher Sandner hält Krypto-Policen im Gewerbebereich ohnehin für leichter umsetzbar. Versicherer könnten hierbei die technischen Gegebenheiten untersuchen und fragen: „Liegt das Passwort in einem Tresor oder bei einem Manager auf dem Schreibtisch?“ Damit komme eine Krypto-Police der klassischen IT-Versicherung am nächsten. Die durch einen Hackerangriff entstandene Schadensumme ließe sich, so Krypto-Experte Sandner, anhand des Tagespreises, den die Bitcoins zum Zeitpunkt des Diebstahls hatten, ermitteln. Und da aufgrund der Blockchain-Technologie für jeden einsehbar ist, wer wie viele Bitcoins besitzt, ließe sich der Besitz gegenüber dem Versicherer leicht nachweisen.
In Deutschland wurden Kryptowährungen Anfang 2020 der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterstellt. Seitdem benötigt jedes Unternehmen, das mit dem Kryptogeld handelt und es verwahrt, die Erlaubnis der BaFin. „Solche Regulierungen erhöhen die Sicherheit von Kryptowährungen. Auf europäischer Ebene soll bis Ende 2022 die sogenannte MiCa-Verordnung („Markets in Crypto-Assets“, Anm. d. Red.) greifen, durch die EU-weit einheitliche Regeln im Umgang mit Krypto-Währungen und -Assets geschaffen werden“, erklärt Sandner. Derweil wurde in El Salvador kürzlich der Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel zugelassen – begleitet von einem erneuten Kurssturz der Kryptowährung.