Interview

„Nur wenige Versicherer wissen, was sie in dem Bereich tun“

Der Markt für Tierversicherungen boomt - nicht erst, seitdem die veränderte Gebührenverordnung für Tierärzte in Kraft ist. Im zweiten Teil des procontra-Interviews berichtet Versicherungsmakler Daniel Jokisch über die Zukunftschancen des Markts, die Tücken bei Reitbeteiligungen und warum er nur Premium-Tarife vermittelt.

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08:04 Uhr | 13. April | 2023
Daniel Jokisch

Seit die reformierte Gebührenordnung für Tierärzte in Kraft ist, laufen bei Makler Daniel Jokisch die Telefone heiß. | Quelle: Privat

Procontra:

Wie hat sich der Markt für Pferdeversicherungen entwickelt?

Daniel Jokisch:

Es gibt wenige Versicherer, die das Thema nicht anbieten. Aber nur eine Handvoll, die ich empfehlen würde. Nur wenige wissen, was sie in dem Bereich tun. Deswegen haben wir ein eigenes Konzept entwickelt. Wir kommen aus der Praxis, haben drei eigene Pferde und ein Großteil unserer Kunden kommt aus dem Reitsport. Wir wissen, worauf es wirklich ankommt.

Procontra:

Welche Zukunftschancen hat der Markt?

Jokisch:

Ein paar Versicherer buchen mich regelmäßig für die Tarifentwicklung und dort höre ich, dass Tierversicherungen ein absoluter Zukunftsmarkt seien. In allen anderen Bereichen findet nur noch Verdrängung statt. Der Tiermarkt ist in Deutschland noch relativ unbespielt. Im Bereich Pferdeversicherungen gab es lange nur die R+V und die Uelzener. Ganz viele drängen jetzt in dieses Segment. Es gibt Versicherer, die sehr aggressiv werben. Viele Versicherer verdienen aktuell sicher kein Geld damit, aber sie wollen sich Marktanteile sichern. Das ist ein aggressiver Markt mit vielen neuen Produkten, ob die dann immer gut sind, ist eine andere Frage. Viele haben, böse gesprochen, noch nie ein Pferd gesehen, bieten aber dennoch Tarife an. Die Kompetenz in den Häusern ist noch nicht sehr groß, insbesondere, wenn sie damit gerade neu anfangen. Da kann das Bedingungswerk noch so groß sein. Im Schadenfall kommt es oft zu Problemen, weil die Versicherer das Thema noch nicht verstehen. Die Schadenregulierer können das Thema faktisch oft noch nicht einordnen.

Procontra:

Der Pferdesport ist ja ein eher kostspieliges Hobby. Warum wächst der Bereich dennoch so stark?

Jokisch:

Ich glaube, dass Menschen für ihre Tiere mehr Geld ausgeben als für sich selbst. Wenn ein Pferd nicht gerade läuft, wird jeder erdenkliche Arzt aufgesucht. Selbst schleppen sich die Leute mit Rückenschmerzen aber ewig rum. Und es gibt nicht wenige Pferdebesitzer, die aus wirtschaftlicher Sicht besser kein Pferd halten sollten, es aber dennoch tun und dafür ihr letztes Hemd geben. Und diese Gruppe ist größer als man denkt. Sie leben mit der Angst, dass etwas passieren könnte. Diese Gruppe spart sich die Versicherungsprämie dann vom Mund ab.

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Procontra:

Spielt Ihnen die Erhöhung der Tierarztgebühren in die Hände? Schließen jetzt mehr Pferdehalter eine Police ab?

Jokisch:

Unsere Telefone laufen heiß. Wir bieten leistungstechnisch aber nur Premiumtarife an und keine Einsteigertarife, weil das unserer Erfahrung nach, nur zu Ärger führt. Man kauft sich damit nur eine gefühlte Sicherheit, aber das wird im Schadenfall schiefgehen. Ein Beispiel: Im Einsteigertarif einer Gesellschaft sind die Zahnextraktionen, also das Ziehen eines Zahns, nicht mitversichert. Die Behandlung kann aber durchaus 3.000 Euro kosten. Wenn dann die Kunden feststellen, dass das nicht im Tarif enthalten ist, sind sie natürlich enttäuscht. Deswegen haben wir gesagt: Wir machen es von Anfang an richtig.

Procontra:

Was kostet ein Premiumtarif?

Jokisch:

Aktuell passen die Versicherer die Beiträge an. Wenn sie demnächst damit durch sind, wird eine gute OP-Versicherung voraussichtlich bei 35 bis 60 Euro liegen, im Mittel würde ich von 45 Euro monatlich ausgehen. Eine Premiumhaftpflicht kostet etwa 12 Euro im Monat.

Procontra:

Das klingt erst einmal übersichtlich.

Jokisch:

Ja, nur dann haben Sie noch die Stallkosten, die Kosten für das Futter, den Sattel und die Reitstunde, und der Tierarzt war auch noch nicht da. Es läppert sich. Man muss insgesamt mit durchschnittlich circa 1.000 Euro monatlich rechnen, dann schafft man es auch ein paar Euro an die Seite zu legen.

Procontra:

Deswegen „teilen“ sich auch immer mehr Menschen ein Pferd. Wie sieht es aus bei der Versicherung von Reitbeteiligungen?

Jokisch:

Das ist komplexes Thema, weil es in den Bedingungswerken viele Unterschiede gibt. Daher ist eine Beratung durch einen Fachmann sinnvoll. Ich würde mich auch nicht darauf verlassen, dass mir gesagt wird: „Du bist als Reitbeteiligung bei mir mitversichert.“ Ich bin der Auffassung: Jeder sollte sich um seine eigene Versicherung kümmern und dafür sorgen, gegen alle Eventualitäten versichert zu sein. Man weiß nie, wie gut jemand anderes abgesichert ist, der Schutz ist im Zweifel nur halbgar.

Procontra:

Bieten immer mehr Versicherer in der Haftpflichtversicherung die Mitversicherung für Reitbeteiligungen an?

Jokisch:

Ja, das hat zugenommen. Es gibt noch Versicherer, bei denen man die Reitbeteiligung namentlich nennen muss, aber bei vielen ist sie aber schon mit enthalten. Viele nutzen das Highlight, aber im Bedingungswerk steht dann beispielsweise: Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer sind nicht enthalten. Policen für Reitbeteiligungen werden regelmäßig nachgefragt. Dann wollen Kunden, dass ich ihnen ein Angebot schicke, aber das mache ich nicht, das ist zu kurz gedacht. Ich spreche mit den Kunden nicht über Produkte, sondern über ihre persönlichen Risiken. Im Zweifel kennt der Kunde diese doch gar nicht. Woher auch? Er ist ja in der Regel kein Experte auf diesem Gebiet. Erst ganz zum Schluss unseres Prozesses sprechen wir über Produkte und Versicherer.

Procontra:

Gerade, weil das Thema so komplex ist: Wie häufig landen Streitfälle vor Gericht? Es heißt ja: Reiterleute sind Streitersleute.

Jokisch:

Ich habe noch keinen Fall gehabt in diesem Themenbereich gehabt, der vor Gericht gelandet ist. Eine gute Beratung zu Beginn ist hier vermutlich die beste Vorsorge.