Wegen der politisch verordneten Niedrigzinsphase durch die EZB fehlen Arbeitnehmern, die versicherungsförmig Ansprüche auf eine Betriebsrente aufbauen, zunehmend die Überschüsse. Das bringt immer mehr Versorgungswerke in Bedrängnis. Dies betrifft auch die Pensionskasse der Caritas. Die Schieflage kommt nicht überraschend, denn das Zinstief bedroht zunehmend auch die bAV (procontra berichtete).
Die Kasse hat ebenso wie ihre Schwetser (Kölner Pensionskasse) im Frühjahr ihre Versicherungsnehmer informiert, dass sie Leistungen kürzen müssen (procontra berichtete). Die Entwicklung sei kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines systemischen Risikos, meint Karsten Lewe, Geschäftsführer der New Dimension Concept AG (NDC), Beratungsgesellschaft für betriebliche Versorgungen.
Niedrigzins mit Nullzinsgarantie begegnen
Leistungskürzungen bei mehreren Kassen zwischen 12 und 25 Prozent hätten stets ähnliche Ursachen. Entscheidend seien drei Gründe: ein seit zehn Jahren anhaltendes Niedrigzinsniveau, langfristige Garantien und zu hohe Kosten. „Niedrige Zinsen werden dann gefährlich, wenn langfristig höhere Versprechungen abgegeben wurden und zudem hohe Kosten den Niedergang verschärfen“, so Lewe (procontra berichtete).
Das Problem will nun eine erste Branche die Hotellerie und Gastronomie lösen – mit einer abgespeckten Garantie. Für die Beschäftigten ist eine Anschlusslösung an die bisherige „Hogarente“ zwischen den Tarifparteien Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga Bundesverband) und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) verabredet worden. Die bundesweit einheitlichen Tarifverträge gelten rückwirkend zum 1. Januar 2019.
Bei der Anschlusslösung unter dem Namen „Hogarente plus“ handelt es sich um eine Direktversicherung für den Arbeitgeberbeitrag, die Entgeltumwandlung und den Arbeitgeberzuschuss. Das zugrundeliegende Anlagekonzept garantiert den Erhalt aller eingezahlten Beiträge (Beitragsgarantie). „Es handelt sich nicht um eine reine Beitragszusage nach dem Sozialpartnermodell (SPM)“, erklärte ein Signal Iduna-Sprecher auf Nachfrage. Bei jeder Vertragslaufzeit stünden zu Rentenbeginn mindestens die eingezahlten Beiträge als Guthaben zur Verfügung (0-Zins-Garantie).
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Erster Flächentarif nach BRSG verzichtet auf SPM
Die Signal Iduna hatte sich im Ausschreibungsverfahren durchgesetzt. Die Branchenlösung für einen der größten Arbeitgeber in Deutschland schafft die ersten auf Grundlage des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) neu verhandelten Flächentarifverträge. Festgeschrieben ist darin eine Erhöhung des Arbeitgeberbeitrags von 150 auf 240 Euro pro Mitarbeiter im Jahr (Geringverdienerförderung nach Paragraf 100 EStG). Weiter zahlt der Arbeitgeber einen Zuschuss zur freiwilligen Entgeltumwandlung seiner Mitarbeiter in Höhe von 16 Prozent. Die Beschäftigten haben einen Anspruch auf Umwandlung tariflicher Entgeltbestandteile in Höhe von bis zu 8,0 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze.
"Wichtig war uns, angesichts eines immer schwieriger werdenden Kapitalmarktes ein möglichst sicheres, einfaches und lukratives Produkt zur Verfügung zu stellen – gemeinsam mit einem verlässlichen Versicherungspartner“, so Fritz Engelhardt, Vorsitzender der Dehoga-Tarifkommission. „Nach langen Verhandlungen wird den Beschäftigten im Gastgewerbe wieder eine bAV ermöglicht“, so der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler.
Die Anschlusslösung hatte lange auf sich warten lassen. Zur Erinnerung: frühere „Hogarente“ war von der HDI Pensionskasse organisiert worden, die sich zum 1. Januar 2016 aus dem Neugeschäft zurückgezogen hatte. Für eine Übergangszeit von zwei Jahren konnten Arbeitnehmer aus tarifgebundenen Firmen noch bis Ende 2017 Mitglied der Pensionskasse werden und die Hogarente abschließen- danach nicht mehr. Der Bestand wird bis heute unverändert vom HDI verwaltet.
Kompromiss zwischen alter und neuer bAV
„Durch eine neue Produktausgestaltung und die spezielle Zielgruppenlösung der Signal Iduna ist alles in einem Produkt möglich, sowohl die geförderte Entgeltumwandlung (nach Paragraf 3 Nr. 63 EStG) als auch die Geringverdienerförderung“, bestätigte Ulrich Leitermann, Vorstandschef der Signal- Iduna-Gruppe.
Die Abkehr von der Garantieverzinsung ist quasi eine Zwitterlösung zwischen klassischer Direktversicherung und dem SPM, das völlig ohne Garantie auskommen muss, dafür aber deutlich höhere Zielrenten anstrebt (procontra berichtete). Es könnte auch für andere Branchen ein Kompromiss sein, um der Niedrigzinsfalle zu entkommen.
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R+V nun für Neuzusagen bei Caritas-Mitarbeitern zuständig
Konsequenzen aus der Misere der eigenen Pensionskasse hat jetzt auch der Deutsche Caritasverband für seine Mitarbeiter gezogen. Alle neuen arbeitgeberfinanzierten Betriebsrenten-Verträge von Mitarbeitern der Caritas-Rechtsträger, die nicht Beteiligte einer kirchlichen oder öffentlich-rechtlichen Zusatzversorgungskasse sind, erfolgen rückwirkend zum 1. Januar 2019 bundesweit über die R+V Lebensversicherung - mit einer Direktversicherung, bei der klassische Garantien gegeben werden.
R+V setzte sich in der Ausschreibung durch, nachdem die Pensionskasse der Caritas im Mai 2018 das Neugeschäft einstellen musste und gegenwärtig saniert wird. Grund waren die niedrigen Zinsen, aber auch Fehlentscheidungen bei der Kapitalanlage. Daher sind ältere Verträge nun auch nicht von R+V eingeschlossen, sondern werden weiter von der Caritas Pensionskasse verwaltet.
Zukunft des SPM völlig offen
Derweil gibt es zum SPM weiter Zurückhaltung bei den Tarifparteien. Der Handlungsdruck auf baldige SPM-Tarifabschlüsse ist aber gewachsen, weil die Regierungskommission „Verlässlicher Generationenvertrag" bis März 2020 ihren Bericht vorlegen soll. Noch im Oktober wird ein Gutachten zur verfassungsmäßigen Zulässigkeit eines von der Kommission diskutierten Zwangssparmodells erwartet. „Beim Scheitern des SPM könnte die Kommission ein gesetzliches Obligatorium fürs Zwangssparen in der dritten Säule vorschlagen, bei dem die Arbeitgeber für den Beitragseinzug zuständig wären“, weiß Rechtsanwalt Marco Arteaga, Partner der Kanzlei DLA Piper.
Entscheidend wird sein, wie sich die drei größten Gewerkschaften IG Metall, Ver.di und IG BCE zu dem SPM verhalten. Auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall diese Woche in Nürnberg gab es bisher keine Signale in diese Richtung. Die Dehoga hatte sich anlässlich ihres jetzigen Tarifabschlusses klar dagegen ausgesprochen. „Das SPM stand für uns nicht zur Debatte, ein Verband kann keine Verantwortung für die Anlagepolitik übernehmen“, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges der FAZ. Das Gesetz sei in dieser Hinsicht „blauäugig.“
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