Kreditvergabe

Beleihungswertermittlungs-Verordnung: Gelockerter Zugang?!

Der Gesetzgeber hat Erleichterungen für Banken im Kreditvergabeprozess eingeführt. Ob die Institute die Kostenersparnis an ihre Kreditnehmer weitergeben, hängt auch vom Kunden ab.

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09:12 Uhr | 19. Dezember | 2022
Immobilie Kreditvergabe

Die Reform der Beleihungswertermittlungs-Verordnung könnte für eine beschleunigte Zusage der gewünschten Immobilien-Finanzierung sorgen. | Quelle: xijian

Die deutsche Sprache kennt zahlreiche Wortungetüme und ihre Abkürzungen: BelWertV für Beleihungswertermittlungs-Verordnung ist ein Beispiel. Das Regelwerk spielt in der Immobilienfinanzierung eine bedeutende Rolle und wurde nun vom Gesetzgeber novelliert. Für Banken und Kreditnehmer sind ein paar Erleichterungen herausgekommen. Ob Verbraucher am Ende in den Genuss zinsgünstigerer Darlehen kommen, ist auch eine Frage des Wettbewerbs und vor allem, ob Kunden informiert sind und hart mit ihren Geldgebern feilschen.

Banken sparen Kosten

Auf jeden Fall sollten Finanzberater ihre Klienten darauf hinweisen, dass die BelWertV-Reform zu Kosteneinsparungen bei Banken führt. Kunden haben dann in Verhandlungen über Kreditkonditionen ein schlagkräftiges Argument in der Hand. „Der Vorteil für private Kreditnehmer liegt unter anderem in den optimierten Abläufen des Kreditvergabeprozesses und damit möglicherweise auch in einer beschleunigten Zusage der gewünschten Finanzierung“, sagt auf Anfrage Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbands deutscher Pfandbriefbanken (vdp).

Und weiter: „Inwieweit Immobilienkredite dadurch günstiger werden, bleibt abzuwarten, da grundsätzlich bei jeder Kreditvergabe eine intensive Prüfung der Sicherheiten und der Bonität des Kreditnehmers durchgeführt wird und sich die Konditionen auch am ermittelten Kreditrisiko orientieren.“ An diesen Faktoren habe sich durch die Novellierung nichts geändert. Das stimmt. Tatsache ist aber auch, dass Banken durch die BelWertV-Reform Effizienzgewinne im Kreditvergabeprozess realisieren können. Hierauf weist Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender des Finanzberatungsunternehmens Dr. Klein Privatkunden gegenüber procontra hin.

Ohne Sicherheit kein Kredit

Bevor im Folgenden die wichtigsten Anpassungen geschildert werden, kurz ein paar Sätze zur Bedeutung des Beleihungswerts. Er dient als Grundlage für die Kreditentscheidung der Bank. Der Beleihungswert gibt an, wie viel Geld das Kreditinstitut durch einen Verkauf der Immobilie mindestens erhalten würde, falls der Kunde die monatlichen Kreditraten nicht mehr bezahlen kann. Oft liegt der Beleihungswert zwischen 70 bis 90 Prozent des aktuellen Werts (= Verkehrs- oder Marktwert) des Objekts, berichten die Kreditprofis von Dr. Klein Privatkunden.

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Hat eine Immobilie zum Beispiel einen Verkehrswert von 320.000 Euro, rechnet die Bank mit einem Beleihungswert zwischen 224.000 und 288.000 Euro. Die Differenz muss der Kreditnehmer selbst aufbringen. In der Praxis berücksichtigen Banken noch weitere individuelle Risiken, so dass im Regelfall nicht der Beleihungswert die Kredithöhe bestimmt, sondern die niedrigere Beleihungsgrenze.

Kreditbearbeitung geht jetzt einfacher

Vom Beleihungswert hängt also ab, wie viel Kredit ein Bankkunde erhält. Banken ermitteln den Beleihungswert anhand unterschiedlicher Verfahren und kombinieren diese mitunter auch. Es gilt die Faustregeln des Sachwertverfahrens bei selbst genutzten Objekten anzuwenden und das Ertragswertverfahren bei vermieteten Immobilien. Als dritte Variante gibt es den Vergleich mit ähnlichen Objekten.

Die BelWertV-Reform bringt nun ein paar Veränderungen, die laut vdp-Hauptgeschäftsführer Tolckmitt „zu einer zeitgemäßeren Immobilienbewertung“ führen. So könnten für Grundschulden bis zu einer Höhe von 600.000 Euro Vereinfachungen bei der Wertermittlung vorgenommen werden; zuvor sei das nur bis zur Grenze von 400.000 Euro möglich gewesen. „Die Ausweitung folgt der Marktentwicklung und wird den Aufwand, der im Rahmen der Kreditbearbeitung bei den Instituten anfällt, spürbar reduzieren“, sagt Tolckmitt.

Immobilie per Video besichtigen

Eine weitere wesentliche Anpassung betreffe die Nutzung computergestützter Bewertungsverfahren, die jetzt erstmals bei der Beleihungswertermittlung regulatorisch verankert würden, in vielen anderen Ländern aber längst etabliert seien. Ein positives Ergebnis für die finanzierenden Banken und die Kreditnehmer stelle auch die Erlaubnis von Video-Besichtigungen dar. „Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne“, meint Tolckmitt. Mit Beginn der Corona-Pandemie habe die Finanzaufsicht Video-Besichtigungen vorübergehend erlaubt. „Die Erleichterung lief aber im Juli dieses Jahres aus", ergänzt Neumann. Und weiter: „Mit der Novelle der BelWertV sind virtuelle Online-Besichtigungen nun wieder möglich.“

Ein Sprecher der BaFin sagt auf Anfrage von procontra: „Eine Pfandbriefbank muss nun nicht mehr grundsätzlich eine Innenbesichtigung durchführen, und kann insoweit dem Wunsch eines Kunden entsprechen, der den Wertermittler nicht in seiner Wohnung haben möchte“. Finanzierungsprofi Neumann hat dann aber doch noch einen Schwachpunkt entdeckt: „Wenn das Video-Verfahren genutzt wird, müssen Kreditinstitute einen Sicherheitsabschlag von mindestens 5 Prozent vornehmen. Ich gehe davon aus, dass diese Option deshalb nicht so häufig angewandt wird wie während der abschlagsfreien Corona-Jahre 2021 und 2022.“

Besser vorbereitet in Kreditverhandlungen

Eine weitere Neuerung ist die Kopplung der sogenannten Mindestkapitalisierungszinssätze an die allgemeine Zinsentwicklung. Der positive Effekt für Banken und möglicherweise auch für deren Kunden: „Diese Zinssätze werden sich zukünftig stärker am tatsächlichen Marktgeschehen orientieren und damit die günstige Pfandbriefrefinanzierung besser nutzbar machen.“ Mindestkapitalisierungszinssatz ist auch wieder so ein Wortungetüm. Wichtig für Verbraucher ist im Zusammenhang mit der BelWertV-Novelle, dass sie Kostenvorteile für Banken bringt und sie in Kreditverhandlungen auf Weitergabe an sie drängen sollten.