FTX-Pleite: „Die schwache Regulatorik ist Ursache der Krise“

Mit FTX ist seit Freitag eine der weltgrößten Börsen für Kryptowährungen insolvent. Zudem sollen hunderte Millionen Dollar an Kundengeldern „verschwunden“ sein. Was das für die Krypto-Szene und Anleger bedeutet, erklärt Peter Scholz, Professor für Digital Finance an der DHBW.

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15:11 Uhr | 14. November | 2022
Bild: HSBA

Peter Scholz ist Professor für Digital Finance an der DHBW (Duale Hochschule Baden-Württemberg) und Lehrbeauftragter an der HSBA (Hamburg School of Business Administration). Bild: HSBA

procontra: Die Pleite der Kryptobörse FTX vor wenigen Tagen hat die Kurse der größten Kryptowährungen abstürzen lassen. Wie schwer trifft dieser Schlag den weltweiten Trend zu alternativen digitalen Zahlungsmitteln?

Peter Scholz: Grundsätzlich ist einer der großen Player am Markt betroffen, der eigentlich als seriös galt. Dadurch erodiert natürlich aktuell das Vertrauen in Kryptowährungen. Bei genauerer Betrachtung ist die Schieflage allerdings, soweit wir das wissen, durch dubiose Geschäfte im Hintergrund entstanden, das heißt es wurden wohl Kundengelder an eine Art Hedgefonds des CEO Sam Bankman-Fried ‚verliehen‘. Daher dürfte die schwache Regulatorik Ursache der Krise sein. Natürlich hinterfragen die Investoren jetzt alle Player am Markt. Sollten diese jedoch nicht ähnliche Strukturen aufweisen wie FTX, wird es den Digitalisierungstrend nicht nachhaltig unterbrechen. Zudem dürfte sich die Vertrauenskrise momentan eher auf Kryptowährungen beschränken, die im Allgemeinen weniger für den Zahlungsverkehr als vielmehr für Spekulation genutzt werden. Zahlungsanbieter wie PayPal sehe ich aktuell weniger betroffen. Allerdings sollte man als Anleger vielleicht auch in Zukunft prüfen, wo die Gesellschaften ihren Sitz haben. FTX war wohl in Antigua und Barbuda registriert und hatte seinen Sitz in Nassau. Dies ist ein klarer Fingerzeig, dass man die regulatorischen Auflagen, die ja auch dem Anlegerschutz dienen, möglichst minimieren wollte.

procontra: Was sollten Menschen mit FTX-Wallets jetzt tun?

Scholz: In den vergangenen Tagen gab es bereits massiv Abflüsse von den FTX-Wallets, das heißt Kapitalflucht analog zu einem Bankrun hat bereits stattgefunden. Glaubt man den Medienberichten, sind auch riesige Vermögenswerte ‚verschwunden‘ und die FTX-Ledger wurden mittlerweile von den Behörden gesperrt. Sollte der Versuch scheitern, das eigene Geld auf eine eigene Wallet zu transferieren, wird den Anlegern wohl im Moment nicht viel anderes übrigbleiben als auf weitere Informationen der Behörden zu warten. Ich befürchte allerdings, dass man im Zweifel das Geld abschreiben muss, wenn man es bis jetzt nicht retten konnte.

procontra: Und was sollten Krypto-Anleger jetzt ganz allgemein tun – halten und auf Kurserholung hoffen oder kommt es bald noch schlimmer?

Scholz: Hier kann man pauschal keinen Rat geben. Das A und O ist immer ein gutes Risikomanagement für die eigenen Investments. Hat man nur einen kleinen, unbedeutenden Teil seines Vermögens in Kryptowährungen investiert, würde ich die aktuelle Verkaufswelle vermutlich aussitzen. Hat man sogar seine Positionen vorher liquidiert, könnte in den nächsten Tagen gegebenenfalls ein guter Zeitpunkt zur Investition sein. Man muss sich aber bei diesen hochriskanten Anlagen immer klar machen, dass im schlimmsten Fall das gesamte eingesetzte Kapital verloren ist. Menschen, die sich dieses Risikos nicht bewusst sind oder die dieses Risiko nicht stemmen können, sollten den Markt unbedingt vollständig meiden.