Darauf sollten Makler beim Software-Wechsel achten
Ohne Automatisierung geht heute nichts mehr. Auch nicht im Büro eines Versicherungsmaklers. Dieser Tatsache sind sich die Akteure mittlerweile bewusst, wie eine Umfrage zeigt. „Die Zahl der MVP-Verweigerer geht kontinuierlich zurück – 2022 waren es nur noch rund fünf Prozent“, so die Studie „IT-Prozesse im Maklerunternehmen“ der deutsche-versicherungsboerse.de (dvb). Befragt wurden über 970 Versicherungsmakler.
Je nach MVP-Programm gibt es sehr unterschiedliche Leistungsniveaus. Die eierlegende Wollmilchsau ist dabei bis heute nicht erfunden. Daher müssen Versicherungsmakler ihr persönliches MVP auswählen. Die Anforderungen sind – je nach Geschäftsmodell – höchst heterogen. Aus den Kommentaren der Studie lassen sich aber generelle Kritikpunkte entnehmen: Fehlende Weiterentwicklung, veraltete Technologie und Probleme im Daten- und Dokumentenaustausch. Daher erwägen immerhin rund 22 Prozent „ernsthaft“ einen Wechsel ihres MVPs.
Nutzerverhalten ist entscheidend
Wohin nun gehen? Mit einer Roadshow zieht der Pool Fonds Finanz derzeit durch die Lande und verspricht, dass das MVP „Professional works“ von Tochter Deutscher Maklerverbund (DEMV) den Verwaltungsaufwand „bereits jetzt um bis zu 70 Prozent reduziert“. Doch Vorsicht. Bei der Verwaltungsersparnis spielt das individuelle Nutzerverhalten des Maklers eine große Rolle.
So steht das „Vermissen“ wesentlicher Funktionen zwar an erster Stelle, wenn es um den Wunsch geht, das MVP zu wechseln. Doch auch das Verhältnis von „Kosten und Leistungsfähigkeit“, „Qualität des Supports“, Vertrauen in die „Zukunftsfähigkeit des Systems“ und „Geschäftspolitik“ des Herstellers können eine ausschlaggebende Rolle spielen. So müssen Poolplattform-Systeme vielfach auf den kleinsten gemeinsamen Nenner ihrer Anwender abzielen. Für Assekuradeure, Konzeptmakler oder Zielgruppenspezialisten könnte das zu wenig sein. Daher müssen bei einem Umstieg nicht nur die Leistungen betrachtet werden, sondern auch die Politik des Herstellers.
Wie groß die Bandbreite der Funktionen ist, zeigt der MVP-Navigator der dvb. Möglich ist es hier, online 26 Funktionen der Programme abzufragen. Der Navigator ist durchaus eine erste gute Annäherung, welches MVP für das jeweilige Unternehmen in Frage kommt. Alle Navigator-Fragen lassen sich auch für andere – dort nicht dargestellte – MVPs adaptieren.
Software-Wechsel führt zu Datenverlust
„Wir weisen sehr klar darauf hin, dass es einen ´reibungslosen´ Umstieg nicht gibt“, sagt Marc Rindermann, Chef von Assfinet, die das MVP „AMS“ betreibt. Ein Wechsel der Software sei immer mit Datenverlust und viel Aufwand auf Vermittlerseite verbunden. Assfinet, das vor allem Digitalisierungen für Mittelstandsmakler mit Schwerpunkt Gewerbe- und Industriegeschäft durchführt, rechnet bei einem Umstieg je nach Geschäftsfeld mit Projektlaufzeiten von sechs Monaten bis zu zwei Jahren.
13 der 15 von uns befragten aktiven großen MVP-Hersteller beantworteten Fragen zum Umstieg. Einig sind sich die Unternehmen, dass die Datenmigration eine der größten Hürden beim Wechsel ist. So verhindern manche Hersteller einen einfachen Zugriff auf ihre Datenbank. „Eine rechtzeitige optimale Vorbereitung der Daten ist unerlässlich, um den eigentlichen Umstellungsprozess mit minimalem Zeitaufwand zu realisieren“, erläutert Stefan Sommerer von der vfm-gruppe.de, die das MVP „Keasy“ anbietet.
Bei Versdirekt, dass das cloudbasierte MVP „4open/digital“ entwickelt hat, gibt es Importfilter, die an die Kundenbedürfnisse angepasst werden können. ArtBase! (ab-Agenta) verspricht sogar die Daten- und Dokumentenübernahme, also beispielsweise von PDFs und Emails, aus 53 Systemen. Bei Novosys EDV (U-Makler) wird jeweils ein individuelles Übernahmeprogramm geschrieben. Geschäftsführer Jens Matschke beruhigt aber: „Diese Art der individuellen Datenübernahme ist bei uns bezahlbar. Nach einer Analyse der Daten machen wir in 98 Prozent der Fälle einen Festpreis.“
Die eigene Arbeitsweise anpassen
„Die wahre Herausforderung ist es, dass Makler, die über Jahre gewohnten Arbeitsabläufe durchbrechen und sich auf ein neues System einlassen“, erläutert Geschäftsführer Karsten Allesch von DEMV (professional works). Dies bestätigt Matti Bargfried, Chef von CODie software products (CoDieBoard). Viel zu selten würden die wichtigsten Geschäftsprozesse im alten und in den konkurrierenden neuen Systemen gegenübergestellt oder durchdachte Fragebögen formuliert.
Bargfried: „Das ist in etwa so, als würde man beim Autokauf das Auto nur von außen betrachten, aber nie eine Probefahrt machen.“ In die gleiche Kerbe schlägt Sebastian Grabmaier, Vorstandsvorsitzender Jung, DMS & Cie (iCRM). „Die Herausforderung ist weniger, eine neue Technologie zu verstehen, sondern vielmehr, die eigene Arbeitsweise anzupassen.“
Gute Planung ist das A und O
Anscheinend gelingt den aktiven MVP-Herstellern die Vermittlung der neuen digitalen Welt ganz gut. „Für das Jahr 2022 konnten wir rund 3.650 neue Nutzer gewinnen“, freut sich etwa Hannes Heilenkötter, Chief Technology Officer bei blau direkt. Ein Plus von fast 30 Prozent. Fast alle Anbieter, die Zahlen lieferten, sind zweistellig gewachsen. Zwar kann die Vfm-Gruppe (Keasy) nur eine Steigerung von etwas über acht Prozent melden. Dafür dürfte das Jahr 2023 sehr erfolgreich werden. In den ersten drei Monaten wurden bereits 23 Unternehmen gewonnen. Geht es so weiter, wird sich der Zuwachs verdoppeln.
Der Wechsel des MVP bleibt ein Mega-Akt, bei dem gute Planung das „A und O“ für den Erfolg ist. Frühzeitig sollten mindestens zwei Mitarbeiter als MVP-Spezialisten geschult werden. Sie begleiten den Umstieg und sorgen mit umfassendem Wissen dafür, dass das neue MVP von der Belegschaft angenommen wird.