Greenwashing-Vorwurf

Klage gegen Commerz Real

Laut Commerz Real könnten Kunden durch die Anlage in den Fonds „klimaVest“ ihren persönlichen CO2-Fußabdruck ausgleichen. Verbraucherschützer kritisieren das Nachhaltigkeitsversprechen und haben Klage eingereicht.

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14:10 Uhr | 14. Oktober | 2021
Greenwashing

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat Klage gegen die Commerz Real eingereicht. Sie wirft dem Vermögensverwalter „irreführende Werbeaussagen“ vor. Konkret geht es um einen CO2-Rechner, der sich auf Website von klimaVest befindet – eine Seite, über die die Commerz Real für den Investmentfonds wirbt. | Quelle: Adobe Stock

Immer mehr Unternehmen bieten nachhaltige Anlagen für ihre Kunden an und stellen dabei sogenannte CO2-Rechner zur Verfügung. Darüber können Interessierte ihren eigenen CO2-Fußabdruck berechnen lassen, um dann mit einem grünen Investment diesen Abdruck wieder auszugleichen. Das hört sich erst einmal gut und sinnvoll an und entspricht dem Bedürfnis vieler Kunden, nachhaltiger zu investieren. Allerdings werden immer wieder Fälle laut, die zeigen: Die mitunter vollmundigen Versprechen der Anbieter sind nicht immer ganz zutreffend.

Aktuell hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg Klage gegen die Commerz Real eingereicht und wirft dem Vermögensverwalter „irreführende Werbeaussagen“ vor. Konkret geht es um einen CO2-Rechner, der sich auf Website von klimaVest befindet – eine Seite, über die die Commerz Real für den Investmentfonds wirbt: „klimaVest ist ein Investmentfonds, der für Privatanleger die Themen ,Nachhaltigkeit' und ,Rendite' in Form eines ,Impact Fonds' vereint.“

Hier könnten Verbraucher ihren persönlichen CO2-Fußabdruck anhand von Angaben in den Kategorien „Wohnen“, „Mobilität“ und „Konsum“ berechnen. Mit diesem Ergebnis sollen sie herausfinden, wie hoch der Anlagebetrag sein muss, um den CO2-Fußabdruck auszugleichen. Soweit die Theorie. „Tatsächlich sind die Abfragekriterien des ,CO2-Rechners' jedoch nicht im Ansatz ausreichend, um einen akkuraten CO2-Wert zu berechnen“, kritisiert die Verbraucherzentrale in ihrer aktuellen Pressemitteilung. Die Verbraucherschützer wenden ein, dass die damit verbundene Werbeaussage, die Geldanlage des Verbrauchers habe ganz konkrete Auswirkungen auf den „persönlichen CO2-Fußabdruck“, irreführend sei.

Absicherung im Kleingedruckten

„Im Kleingedruckten des Commerz Real Prospekts steht tatsächlich, dass sie nicht garantieren könne, dass die Anlageziele des Fonds erreicht werden“, so Finanzexperte Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Das heißt, das Unternehmen relativiert sein eigenes Versprechen schon im Vorfeld. „Sie werben für einen positiv messbaren Beitrag zur Erreichung von Umweltzielen, sichern sich aber juristisch im Kleingedruckten dahingehend ab, indem sie dafür nicht garantieren könnten.“

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Gerd Johannsen, Pressesprecher der Commerz Real, sieht der Klage gelassen entgegen: „Letztendlich geht es nur um die Art und Weise und Gewichtung der Darstellung“, sagt er. Demnach werde der eigentliche CO2-Fußabdruck-Rechner gar nicht von der Verbraucherzentrale angegriffen, so Johannsen.

Aus ähnlichem Grund hatten die Verbraucherschützer in der Vergangenheit gegen die Deka Bank Klage eingereicht. Daraufhin hat das Kreditinstitut eine Unterlassungserklärung abgegeben, die Klage kam gar nicht erst vor Gericht. Auch gegen Fintech Tomorrow nach, ein Banking-Anbieter ohne BaFin-Lizenz, der mit einem nachhaltigen Girokonto wirbt, wurde zuletzt Klage eingereicht. Die Folge: Das Fintech gab ebenfalls eine Unterlassungserklärung ab. „Die Klage gegen die Commerz Real birgt nun die Chance einer gerichtlichen Klärung, die branchenweit Wirkung entfalten könnte“, erhoffen sich die Verbraucherschützer.

Uneinigkeit über die Kritikpunkte

„Es ist richtig, dass die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (VZ BW) Klage gegen die Commerz Real Fund, die den Fonds klimaVest verwaltet, beim Landgericht Stuttgart eingereicht hat. Dabei geht es jedoch nicht um den CO2-Rechner, wie die VZ BW irreführenderweise behauptet“, so Commerz-Pressesprecher Johannsen. Die Verbraucherschützer kritisierten demnach lediglich den zweiten Rechner im unteren Bereich der Klimavest-Website: Dort stellen Kunden ein, wieviel Geld sie anlegen wollen, wodurch dann besagter CO2-Fußabdruck verringert werden könne. „Das greift die Verbraucherzentrale an und behauptet, wir würden eine zwingende Entsprechung herstellen“, sagt Johannsen. Das sei das eigentliche Thema des vorgerichtlichen Prozesses.

Die Commerz Real weist die Vorwürfe zurück: „Der klimaVest möchte seine Anleger über die CO2-Vermeidung und den Zusammenhang mit dem persönlichen CO2-Fußabdruck informieren – dies erfolgt unter den Überschriften „Ihr persönlicher CO2-Fußabdruck“ und „Anlegen & CO2 ausgleichen“. Einen beanstandeten „CO2-Ausgleichs-Rechner“ gibt es in der Form nicht“, so Commerz-Sprecher Johannsen.

Wie bei jedem anderen Anlageprodukt könne das tatsächliche Ergebnis vom Ziel abweichen – Sonnenstrahlung, Windentwicklungen sowie die Entwicklung des Grünstromanteils eines Landes seien schwer voraussagbar. „Wir sehen einer gerichtlichen Auseinandersetzung zuversichtlich entgegen. Und vielleicht einigt man sich dann und sagt: Ihr müsst das und das noch oben hinschreiben“, sagt Johannsen.

Die Kritik der Verbraucherschützer – im Detail

Finanzexperte Nauhauser von der Verbraucherzentrale verwundert diese gelassene Haltung nicht. „Das liegt in der Natur der Sache, sonst wäre ja eine Unterlassungserklärung abgegeben worden.“ Nauhauser sieht beide Rechner kritisch: „Die Messungen sind unzureichend: Man kann den CO2-Fußabruck mit diesem Rechner gar nicht messen.“

Der Grund: Es wird schlicht zu wenig abgefragt. So geben Kunden für die Berechnung ihres CO2-Fußabdrucks im Bereich „Wohnen“ lediglich die Größe ihrer Wohnung oder ihres Hauses an, die Anzahl der Bewohner im Haushalt, ob es sich um eine Wohnung oder ein Haus handelt, welcher Energiestandard vorliegt, die Heizungsart und ob Ökostrom genutzt wird oder nicht. Allein, ob Kunden ihre Heizung zum Beispiel voll aufdrehen oder nicht, verändere doch bereits das Ergebnis, kritisiert Nauhauser. Und das sei nur ein Kriterium von vielen, das in der Berechnung fehle. Dadurch hätten die Ergebnisse des Rechners eigentlich kaum Aussagekraft.

Ganz ähnlich verhalte es sich bei den Fragen zum Konsum der Kunden: Hier werden die Ernährungsweise zwischen „vegan“ und „viel Fleisch“ sowie die monatlichen Konsumausgaben abgefragt. Mehr nicht. Ob jemand seine Einkäufe in einem Unverpackt-Laden tätigt oder alles in Plastik eingepackt kauft, habe allerdings großen Einfluss auf den individuellen CO2-Fußabdruck. Doch fließen diese Kriterien nicht ein.

Wie weit darf Werbung gehen?

„Wir lassen nicht alles gerichtlich prüfen, was wir kritisieren, aber die weiteren Kritikpunkte können natürlich dennoch Gegenstand des Verfahrens werden“, so Nauhauser. Erst einmal sei allein der Regler „Anlegen & CO2 ausgleichen“ Gegenstand der Klage. Hier geben Kunden die Höhe der gewünschten Geldanlage ein. Zwischen 10.000 Euro und 100.000 Euro sind möglich. „Wir zeigen Ihnen, welche Wirkung diese Geldanlage auf Ihren persönlichen CO2-Fußabdruck hat“, wirbt die Commerz Real.

„Die Frage ist, unter welchen Umständen darf Werbung wie weit gehen? Mit welchen Versprechen dürfen Kunden geworben werden? Wir sehen die derzeitige Entwicklung mit Sorge,“, resümiert der Verbraucherschützer Nauhauser. „Das Ziel sind deutlich strengere Vorgaben im Anlagebereich. Da wollen wir hin.“ Sollte die Klage vor dem Gericht verhandelt werden, gebe es endlich eine Chance für Rechtsklarheit. Das sieht Commerz-Sprecher Johannsen erstaunlicherweise ganz ähnlich: „Wir finden es eigentlich gut, dass das Thema vor Gericht landet, damit mal klar ist, was man darf.“