„Nachhaltige Geldanlagen brauchen eine klare Definition“
Wer sich mit unterschiedlichen Anlageoptionen auseinandersetzt, nimmt sehr wahrscheinlich erst mal die beiden Kriterien attraktive Rendite und Sicherheit der Anlage ins Visier. Obwohl die zentralen Anlagemotive Vermögensaufbau und Altersvorsorge nach wie vor eine wichtige Rolle im Anlagemarkt spielen, rückt mit der Klimakrise auch das Thema Nachhaltigkeit immer mehr in den Fokus. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) beziffert das Volumen nachhaltiger Geldanlagen in Deutschland zum 31. Dezember 2021 auf 501,4 Milliarden Euro Quelle: Umweltbundesamt). Allein in den letzten beiden Jahren hat sich das Anlagevolumen nahezu verdoppelt. Der Haken: Es fehlen einheitliche Standards für nachhaltige Geldanlagen sowie gesetzliche Verpflichtungen für Anbieter, wichtige Informationen hierzu offenzulegen.
„Grün“ ist nicht immer tatsächlich nachhaltig
Seit August dieses Jahres sind Bankberater*innen durch die EU-Kommission dazu verpflichtet, interessierte Anleger*innen anhand gewünschter Kriterien gezielt über grüne Investitionsoptionen aufzuklären. So gut der Gedanke, so unausgereift die Umsetzung in der Praxis: Uneindeutige Regularien, schwammige Kriterien und fehlende Transparenz machen Nachvollziehbarkeit für Anleger*innen so gut wie unmöglich. Oftmals ist kaum erkennbar, wie nachhaltig vermeintlich grüne Anlageprodukte tatsächlich sind. Insbesondere die global gültigen ESG-Standards bieten bislang jedoch wenig mehr als eine grobe Orientierung, denn für ihre Kriterien (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) gibt es keine verbindlichen Definitionen. In einer Zeit, in der es in Anbetracht der Klimakrise mehr denn je darum gehen muss, die Finanzbranche als zentralen Hebel für eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft zu nutzen, ist dieser Umstand nicht tragbar. Auf das Bedürfnis von Anleger*innen, nachhaltige Produkte stärker in Betracht zu ziehen, antwortet ein zu großer Teil der Finanzbranche mit Intransparenz und falschen Versprechungen – und setzt damit einerseits das Vertrauen in Nachhaltigkeitsversprechen, andererseits das Transformationspotenzial von Anlageprodukten aufs Spiel.
Regulierungen verfehlen ihre Wirkung
Ändern soll das eigentlich die neue Taxonomie-Regelung der EU, die im Januar 2023 in Kraft tritt. Sie soll wie eine Art Gütesiegel für nachhaltige Investitionen funktionieren, das konsequent kennzeichnet, wo Geld nachhaltig angelegt wird und wo nicht. Mehr Transparenz, Messbarkeit und Vergleichbarkeit sollen Greenwashing verhindern. Dass laut der Taxonomie allerdings auch Investitionen in fossiles Gas und Atomkraft als nachhaltig eingestuft werden, sorgte zu Recht europaweit für Empörung und untergräbt das Vorhaben von Anfang an.
Mit der Offenlegungsverordnung, die Investmentfonds in ihrer Nachhaltigkeit klassifiziert, hat die EU-Kommission einen richtigen und wichtigen Schritt nach vorne getan. Für konsequente Nachhaltigkeit im Anlagemarkt braucht es allerdings ein stärkeres Regelwerk – und mehr Möglichkeiten der Nachvollziehbarkeit von außen. Dazu gehört ein einheitlicher und verbindlicher regulatorischer Rahmen, dem ein strenger und mit dem Pariser Klimaabkommen kompatibler Kriterienkatalog zugrunde liegen muss: Nur wenn die Klimawirkung von Unternehmen unterhalb von zwei Grad liegt, im besten Fall bei 1,5 Grad – dem im Pariser Klimaabkommen definierten Ziel – sind sie tatsächlich nachhaltig. Grüne Fonds sollten also nur Unternehmen aufnehmen, die dieses Ziel erfüllen. Es braucht außerdem eine bedingungslose Transparenzpflicht, die Täuschungsversuche sofort sichtbar macht und bei Nichteinhaltung unternehmerische Konsequenzen veranlasst. Nachhaltigkeit im Finanzsektor darf keine leere Worthülse bleiben, kein beliebig verwendbares Buzzword. Nachhaltigkeit braucht eine klare Definition, die keinen Interpretationsspielraum mehr zulässt.
Nur dann kann es gelingen, dass die Finanzbranche das Qualitätsversprechen gegenüber Anleger*innen einhalten und das Vertrauen in die positive Wirkung ihrer Investitionsentscheidungen auch langfristig stärken kann. Und für eine Transformation der Wirtschaft braucht es das Bewusstsein und den Handlungswillen aller. Es ist ein Zusammenwirken politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Akteur*innen.