Wissenschaftler sehen Provisionsverbot als Rendite-Booster
Die Diskussion über die mögliche Einführung eines EU-weiten Provisionsverbots für Anlage- und Altersvorsorgeprodukte nimmt teilweise groteske Züge an. Gleichzeitig werden aber auch sachliche Argumentationen in den Ring geworfen, wie aktuell in Form einer Studie mit Titel „Die Auswirkungen von Provisionsverboten auf das Vermögen der Haushalte: Erkenntnisse aus OECD-Ländern“. Erstellt wurde diese von einem Wissenschaftlerteam rund um Professor Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung und Direktor am Center for Finance der Universität Regensburg.
Im Kern kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass das Haushaltsvermögen in Ländern, in denen Provisionen verboten sind, um durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr stärker wächst als in den Ländern mit Provisionssystem. Wer pro Jahr 1,7 Prozent mehr Rendite auf seine Anlage erzielt, könne nach 40 Jahren Ansparzeit zwischen 50 Prozent (über kontinuierliche Sparpläne) und 90 Prozent (per Einmalanlage zu Vertragsbeginn) mehr Vermögen vorweisen, so die Wissenschaftler.
Schon 6 Länder mit Verbot
Durch geringere Abschlusskosten bei Anlageprodukten mehr Rendite zu erzielen ist der hauptsächliche Grund, der für die Einführung eines Provisionsverbots spricht. Konkrete Zahlen, wie viel das letztendlich ausmacht, hatten es bislang aber nicht in die breite öffentliche Diskussion geschafft. Im Falle einer reinen Honorarberatung ist häufig von Kosten im Bereich von 200 Euro pro Stunde die Rede.
Ihr Fazit ziehen Sebastian und Team aus der Gegenüberstellung der Daten aus den 38 OECD-Ländern mit denen der sechs Länder, die bereits ein Provisionsverbot eingeführt haben. Das seien Dänemark, Finnland, Großbritannien, Norwegen, Australien und Neuseeland. Der Betrachtungszeitraum bezieht sich dabei auf die Jahre 1997 bis 2021. Als erstes OECD-Land habe Finnland 2005 ein solches Verbot bei sich eingeführt und zuletzt war im Jahr 2019 Australien gefolgt. „Wir konnten in unserer Studie sehr klare, eindeutige und messbare Ergebnisse feststellen“, erklärt Prof. Sebastian und kommt zu dem Ergebnis: „Die Einführung des Provisionsverbots hat in allen Ländern das Vermögen der privaten Haushalte deutlich gesteigert.“
Das treibt die Gegner
Die Gegner eines Provisionsverbots befürchten einen deutlichen Rückgang des persönlichen Beratungsangebots. Erstens, weil sie glauben, dass viele Menschen davor zurückschrecken würden, mehrere hundert Euro für eine Beratung aus der eigenen Tasche zu bezahlen, um am Ende vielleicht sogar zu der Erkenntnis zu kommen, dass zum jetzigen Zeitpunkt gar kein Produkt für sie in Frage kommt. Das wiederum könnte dazu führen, dass weniger Menschen etwas für ihre Altersvorsorge tun und damit die Altersarmutsbelastung für den Staat zunimmt.
Zweitens wird auf Seiten der Gegner davon ausgegangen, dass viele Vermittler ihre Tätigkeit aufgeben würden, da sie erst langwierig einen Kundenstamm aufbauen müssten, der dazu bereit ist, die Honorare direkt zu bezahlen. Das wiederum würde im wichtigen und sensiblen Bereich der Altersvorsorge zu einer „Servicewüste“ führen, was wiederum die erste Befürchtung stärken würde.
Alles gut im Königreich?
Doch auch hierzu hat Sebastians Studie Erkenntnisse aufgetan. So sei die Anzahl der Finanzberater in den Ländern mit Provisionsverbot nach dessen Einführung nicht gesunken. Besonders interessant: In Großbritannien sei demnach die Anzahl der Finanzberater seit der Einführung des Verbots im Jahr 2013 sogar um knapp vier Prozent gestiegen.
Das ist überraschend, denn die britische Finanzaufsicht FCA hatte im vergangenen Jahr eine Statistik veröffentlicht, wonach der Anteil von Vertragsabschlüssen nach Inanspruchnahme persönlicher Beratung seit der Einführung des Provisionsverbots extrem gesunken sei. Seitdem gilt Großbritannien als besonderes Negativbeispiel für die Auswirkungen einer reinen Honorarberatung. Auf procontra-Nachfrage hatten kürzlich mehrere große Lebensversicherer und auch ihr Dachverband GDV die Sorge geäußert, dass ein Provisionsverbot die Verbreitung privater Altersvorsorge speziell unter Geringverdienern deutlich hemmen würde.
Zudem hatte der stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Schwark bezugnehmend auf einen Artikel des Versicherungsmonitors zu der Studie auf LinkedIn kritisiert, dass diese gröbste makroökonomische Aggregate über mehr als 20 Jahre miteinander vergleiche und sämtliche Differenzen einfach kausal auf partielle Provisionsverbote zurückführe.
Die englischsprachige Studie kann hier nachgelesen werden.