Einschätzungen von Branchenkennern

Wie wahrscheinlich ist ein Provisionsverbot?

In wenigen Wochen will sich die EU zum Provisionsverbot äußern. Branchenverbände reagieren sichtlich nervöser. Nur: Wie viel Einfluss haben die Interessenvertreter zu diesem Zeitpunkt noch?

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14:03 Uhr | 29. März | 2023
Einflussnahmen

Wie viel Einfluss haben die deutschen Verbände auf die EU-Entscheidung zum Provisionsverbot? Verkennen Interessenverbände, dass Deutschland kein bestimmendes Mitglied in der EU ist? | Quelle: ajijchan

Schon bald will die EU über das Provisionsverbot entscheiden. Seitdem EU-Kommissarin Mairead McGuinness angekündigt hat, sie werde ein europaweites Provisionsverbot in der Finanzberatung prüfen, laufen die Branchenverbände Sturm. Doch wie groß ist ihr Einfluss zu diesem Zeitpunkt noch?

„Der Einfluss der kleineren deutschen Maklerverbände ist auf EU-Ebene sehr beschränkt“, sagt Axel Kleinlein, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten (BdV). Demnach haben die nationalen Verbände wenig Spielraum. Kleinlein glaubt, viele der Interessenverbände würden verkennen, dass Deutschland zwar ein wichtiges, aber eben nicht bestimmendes Mitglied in der EU ist. „Die Entscheidungen fallen in Brüssel und nicht in Berlin.“

Das sieht AfW-Vorstand Norman Wirth ähnlich. Die nationalen Vermittlerverbände seien als Gesprächspartner auf EU-Ebene nicht gefragt. „Aber natürlich bringen wir – gemeinsam mit unserem Partnerverband Votum – über unseren europäischen Dachverband FECIF, Argumente vor.“ Der AfW sei bei dem Thema in der Regel parteiübergreifend auf offene Ohren gestoßen. Es sei vermessen, darüber zu spekulieren, welchen konkreten Einfluss der Verband letztlich auf das Ergebnis haben wird. Schließlich gebe es viele Seiten, die sich dafür einsetzen, dass ein Provisionsverbot in der EU nicht kommt.

Auch Martin Klein, Geschäftsführender Vorstand des Verbands unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa (VOTUM), sieht das so. „Gerade die Ansprache von Abgeordneten des EU-Parlaments und Bundestagsabgeordneten durch eine Vielzahl von Branchenvertretern hat sich hier bewährt. VOTUM hat hierbei seinen Beitrag geleistet.“ Seit über 20 Jahren habe es immer wieder politische Anläufe für die Einführung eines Provisionsverbots gegeben. „Und es ist nicht dazu gekommen“, so Klein.

„Die Verbände haben sich ins Aus manövriert“

Kleinlein kritisiert die Verbände, als „hartnäckige Verfechter des Status Quo“. Er wirft ihnen vor, dass sie nicht auf die Kritik am Vergütungssystem eingegangen seien. Stichwort: Interessenkonflikt. „Damit haben sich diese Verbände weitgehend selbst ins Aus manövriert“, so der ehemalige Verbraucherschützer.

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Den Vorwurf will Wirth nicht gelten lassen. Die Aussage sei Unfug, da es nicht Aufgabe des Interessenverbandes unabhängiger Versicherungs- und Finanzanlagevermittlerinnen und -vermittler sei, den „Gegnern der Unabhängigkeit“ die Argumente zu liefern. „Es gibt entweder ein Verbot oder kein Verbot von Provisionen. Ein bisschen schwanger geht auch nicht. Wo ist denn da Platz für einen Kompromiss?“, moniert Wirth. Ins Aus habe sich der Verband nicht manövriert.

Das Verbot kommt (nicht)

Ob das Verbot kommt, auch darüber gehen die Meinungen auseinander. Ex-BDV-Mann Kleinlein ist überzeugt, dass McGuinness bereits Anfang Mai das Schicksal der Makler besiegelt. „Selbst über den deutschen Finanzminister oder die BaFin dürfte es schwerfallen. das Ruder herumzureißen.“ Und er geht davon aus, dass das Verbot zügig umgesetzt werde. „Schon 2024 oder 2025“, so Kleinlein.

Für ihn stellt sich eher die Frage, wie weitreichend das Verbot sein wird und welche Versicherungsprodukte davon erfasst sein werden. „Der oft skizzierte Untergang der Versicherungswelt wird aber auch dann ausbleiben. In den Niederlanden und in Großbritannien haben wir trotz Provisionsverbot weiterhin einen funktionierenden Versicherungsmarkt. Vermutlich werden in diesen Ländern sogar mittlerweile zwar weniger, aber passgenauere Produkte verkauft.“ Die hohen Stornozahlen in Deutschland wären ein Indiz dafür, dass oft falsche Verträge vertrieben werden.

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Professor Matthias Beenken von der Fachhochschule Dortmund vermutet, dass ein Provisionsverbot eher unwahrscheinlich ist, weil andernfalls die geplante Verordnung zur Kleinanlegerstrategie scheitern könnte und dann vor der Europawahl „gestorben“ ist. Auch AfW-Vorstand Wirth zeigt sich gedämpft optimistisch, dass die Argumente der Provisionsgegner bei McGuinness verfangen. Die Branche habe den sozialen Auftrag, die Defizite des Staates bei der Risikoabsicherung und Altersvorsorge aufzufangen. Für Durchschnittsverdiener sei die Honorarberatung schlicht keine Lösung. „Die Lehren aus Großbritannien nach zehn Jahren Provisionsverbot zeigen klar auf, wohin das führen würde. Zu einer Beratungslücke für den Großteil der Bevölkerung.“ Dennoch gehe es dem AfW nicht um ein Entweder-Oder, für-Honorar-versus-Provision. „Beide Möglichkeiten sind gesetzlich verankert. Das ist auch gut so.“

Auch VOTUM-Vorstand Klein zeigt sich gelassen: Schließlich könnte ein Verbot nur durch Änderung der MiFID und der IDD im Trilogverfahren durchgesetzt werden. Eine Mehrheit für den Vorschlag der Kommission bestehe weder im EU-Parlament noch im EU-Rat. Das sei auch McGuinness aus Probeabstimmungen bekannt. „Ob sie dennoch am 3. Mai einen solchen Gesetzgebungsvorschlag unterbreiten wird bleibt abzuwarten.“

Ein Verbot könnte den Markt verzerren

Noch ein anderer Punkt könnte zumindest den Großteil der Vermittler aufatmen lassen: So vermutet Beenken, dass ein Provisionsverbot womöglich nur gegenüber Maklern durchsetzbar sein könnte. Denn gemäß der deutschen Gesetzeslage ist ein Arbeitgeber beziehungsweise der Auftraggeber eines Handelsvertreters (Ausschließlichkeits- und Mehrfachvertreter) verantwortlich für dessen Vergütung. „Da rund zwei Drittel des LV-Neugeschäfts von Ausschließlichkeits-, Strukturvertrieben und Bankvertrieben vermittelt werden, die ja auch meist im Verhältnis zum Lebensversicherer als Ausschließlichkeits- oder Mehrfachvertreter tätig sind, würde das den Markt verzerren und Ausweichreaktionen hervorrufen“, vermutet Beenken.