bAV: Maxi-Rente für Midijobber

Die Minijob-Reform liefert Ansätze zur betrieblichen Altersversorgung. Das gilt es bei den Veränderungen in puncto Geringfügigkeitsgrenze zu beachten.

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13:12 Uhr | 06. Dezember | 2022
Mini- und Midi-Job im Supermarkt

Nach der Erhöhung des Mindestlohns haben sich die definitorischen Grenzen für Mini- und Midi-Jobs verschoben. Für Berater ist das ein Anlass, um über die bAV-Absicherung zu sprechen. | Quelle: Portra

So mancher Finanzberater könnte bisher vernachlässigte Klienten mit einem Tipp überraschen. In etlichen Kundenportfolien dürften geringfügig entlohnte Beschäftigte (Minijobber) und Beschäftigte im Übergangsbereich zu einer normal sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit (Midijobber) enthalten sein. Immerhin gab es laut Deutscher Rentenversicherung 2021 rund 7,2 Millionen Menschen in Deutschland in einem Minijob und 2,9 Millionen in einem Midijob.

Höherer Mindestlohn hat Folgen

Wegen der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde haben sich die definitorischen Grenzen zwischen beiden Job-Varianten zum 1. Oktober 2022 verschoben. Ein Minijob reicht jetzt bis zur Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro nach zuvor 450 Euro. Und der Übergangsbereich beziehungsweise Midijob erstreckt sich bis zu einem Verdienst von 1.600 Euro monatlich nach bisher 1.300 Euro. Zum 1. Januar 2023 steigt diese Schwelle nochmals auf dann 2.000 Euro. Allein diese Verschiebungen wären ein Anlass für Berater, mit Kunden aus diesen Einkommensgruppen über deren Absicherung im Bereich Altersvorsorge zu sprechen – hier gibt es nämlich gravierende Lücken. Die sind zwar in der Regel dem geringen Verdienst geschuldet, aber eine fundierte Finanzplanung kann und sollte auch Geringverdienern helfen.

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Ebenfalls interessant ist ein weiterer Sachverhalt: Speziell Midijobber haben eine Möglichkeit, „eine verhältnismäßig kostengünstige Altersvorsorge aufzubauen“, bestätigt auf Anfrage von procontra ein Sprecher des Versicherers Signal Iduna. Gemeint ist die Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersversorgung (bAV). Von diesem Recht Gebrauch zu machen – Arbeitgeber müssen einem Arbeitnehmer mit bAV-Wunsch mindestens eine Direktversicherung anbieten – sei für Midijobber wichtig, „denn in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben sie aufgrund des geringen Einkommens auch nur geringe Versorgungsansprüche“.

Rutsch unter die Geringfügigkeitsgrenze

Zusätzlich ergäbe sich in bestimmten Fällen für Midijobber die Möglichkeit, durch eine Entgeltumwandlung unter die Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro zu rutschen und damit in ein sozialversicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis. Dazu erklärt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Anfrage: Die Entgeltbestandteile aus Entgeltumwandlung seien nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen. Und weiter: Eine Beschäftigung im Übergangsbereich sei grundsätzlich sozialversicherungspflichtig. Arbeitgeber zahlten dabei höhere Pflichtbeiträge als Beschäftigte. Soweit das regelmäßige Arbeitsentgelt 520 Euro im Monat nicht übersteigt, bestehe Sozialversicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Von der Pflicht zur Rentenversicherung könnten Beschäftigte sich auf Antrag befreien lassen.

Das Ministerium nennt ein Beispiel: Eine gesetzlich krankenversicherte Bürohilfe vereinbart mit dem Chef, dass dieser den Bruttoentgeltanspruch von 600 Euro um 90 Euro mindert und in diesem Umfang eine Versorgungszusage zu Gunsten einer bAV abgibt. Die Bürohilfe ist geringfügig entlohnt beschäftigt, weil das regelmäßige Arbeitsentgelt in Höhe von 510 Euro nach der Entgeltumwandlung die Grenze von 520 Euro nicht übersteigt.

Der Arbeitgeber zahlt Pauschalbeiträge zur Renten- und zur Kran­kenversicherung von zusammen 28 Prozent des Arbeitsentgelts; im Einzelnen 15 Prozent zur Renten- und 13 Prozent zur Krankenversicherung. Die Beschäftigte zahlt Beiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 3,6 Prozent des Arbeitsentgeltes, sofern sie sich nicht von der Rentenversicherungs­pflicht befreien lässt. Insgesamt summieren sich die Sozialversicherungsbeiträge auf 161 Euro, von denen der Arbeitgeber 143 Euro und die Beschäftigte Arbeit­nehmerbeiträge von 18 Euro trägt.

Ohne Entgeltumwandlung, führt das Ministerium weiter aus, wären vom Bruttolohn von 600 Euro typischerweise Sozialver­sicherungsbeiträge von 182 Euro an Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abzuführen, die sich aus 158 Euro an Arbeitgeber- und 24 Euro an Arbeitnehmerbeiträgen zusammensetzen.

Haftungsrisiken für Berater

Soweit das Beispiel. Generell zu dieser Möglichkeit sagt der Sprecher von Signal Iduna: „Ob dies sinnvoll ist oder nicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.“ Denn das Thema ist komplex und daher gespickt mit Haftungsrisiken für Berater. Hierauf weisen auch andere Versicherer und bAV-Spezialisten hin. Ohnehin ist das Wissen über bAV bei Arbeitnehmern nicht gerade ausgeprägt, wie eine noch aktuelle Studie von Deloitte ergab; die Folgestudie erscheint in Kürze. 

Daher gilt: Wer nicht selbst über ausreichend Know-how im Bereich Sozialversicherungsgesetzgebung und bAV verfügt, sollte für die Beratung unbedingt Experten hinzuziehen. Sofern das Steuerrecht betroffen ist, muss ein Steuerberater die Beantwortung der entsprechenden Fragen übernehmen. Nur mit einem solchen Netzwerk aus Fachleuten im Rücken, können beziehungsweise dürfen Finanzberater das Thema bearbeiten. Das sollte bedenken, wer bisher vernachlässigte Klienten mit einem Tipp überraschen möchte.