Urteil

Handelsvertreter muss Darlehen unter Umständen nicht zurückzahlen

Einem Handelsvertreter war durch seinen Arbeitgeber ein Darlehen gezahlt worden – dieses sollte er bei Vertragsende komplett zurückzahlen. Der BGH erkannte hierin eine mögliche Kündigungserschwerung, so dass der Handelsvertreter nun womöglich nichts zurückzahlen muss.

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09:03 Uhr | 28. März | 2023
Tobias Strübing

Macht auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aufmerksam, das auch Auswirkungen auf die Versicherungsbranche hat: Rechtsanwalt Tobias Strübing | Quelle: Kanzlei Wirth Rechtsanwälte

Die Kündigung eines Handelsvertretervertrags ist juristisch ein echter „Dauerbrenner“ – zahlreiche Urteile sind zu diesem Themenkomplex ergangen, so dass man meinen könnte, alle strittigen Fragen müssten mittlerweile ausgeräumt sein.

Dass diese Einschätzung ein Fehlschluss ist,  zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (Az: VII ZR 787/21, Urteil vom 19.01.2023), auf das die Rechtsanwaltskanzlei Wirth hinweist.

Saldo von 55.000 Euro

Im besagten Fall ging es um den Handelsvertreter eines Möbelunternehmens. Dieser erhielt seitens seines Arbeitgebers pauschale Provisionsvorschüsse, die später mit den vom Handelsvertreter erwirtschafteten Provisionen verrechnet werden sollten. Doch die Vorauszahlungen waren beträchtlich, der Vertreter konnte diese bei weitem nicht erwirtschaften. Zwischen Juni 2014 und Dezember 2016 kam so ein Saldo in Höhe von knapp 55.000 Euro zusammen.

Der Möbelvertrieb hatte bereits in dieser Zeit erkannt, dass der Handelsvertreter die Vorschüsse nicht wieder reinholen konnte. Darum vereinbarte man, dass die ausstehende Summe zu einem Darlehen mit einer jährlichen Verzinsung von 3,5 Prozent umgewandelt wird. Zudem erhielt der Vertrag die folgende Klausel:

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"Im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages vom 26. Juli 2013 sind die Restschuld des Darlehens und die zum Stichtag der Vertragsbeendigung aufgelaufenen Zinsen in einer Summe sofort fällig. Hierbei ist es unerheblich, durch wen und aus welchem Grund der Vertrag beendet wurde."

Mit der Zeit bekam der Arbeitgeber jedoch offenbar Angst und forderte von seinem Vertreter die Rückzahlung der ausstehenden Summe. Der Handelsvertreter zahlte jedoch nur die Zinsen, so dass der Fall schließlich vor Gericht landete. Nachdem zunächst das Landgericht die Klage des Unternehmens abgewiesen hatte, entschied das OLG Düsseldorf, dass der Vertreter die 55.000 zurückzuzahlen haben – jedoch nicht am Stück.

Teilerfolg für Vertreter

Nachdem der Handelsvertreter hiergegen geklagt hatte, verbuchte nun er einen Teilerfolg vor dem Bundesgerichtshof. Dieser erkannte in der Vereinbarung zur sofortigen Darlehensrückzahlung eine mögliche Kündigungserschwerung für den Handelsvertreter. Diese erfolgt zwar nicht unmittelbar, beispielsweise in Form einer Strafzahlung bei Kündigung. Allerdings werde der Vertreter womöglich mittelbar von einer Kündigung abgehalten, da an die Kündigung schwere Nachteile geknüpft werden – in diesem Fall erhebliche Zahlungsverpflichtungen.

Hierdurch werde nicht nur die Regelung hinfällig, dass das Darlehen vollständig zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages zurückgezahlt werden muss. Vielmehr müsse der Vertreter das Darlehen im Falle einer Kündigungserschwerung überhaupt nicht zurückzahlen. Nun muss das OLG Düsseldorf prüfen, ob die finanziellen Nachteile für den Vertreter so schwerwiegend sind, dass eine unzulässige Kündigungserschwernis vorliegt.

Die Kanzlei Wirth weist zudem auf einen weiteren interessanten Aspekt des Urteils hin. Der BGH befand nämlich ebenfalls, dass das Unternehmen die Forderung nach einem Buchauszug nicht an die Bedingung knüpfen darf, dass zuvor der Provisionsvorschuss zurückgezahlt werden muss. Das Unternehmen ist im Hinblick auf den Buchauszug vorleistungspflichtig – schließlich soll der Handelsvertreter anhand des Buchauszuges überprüfen können, ob die Rückzahlung des Provisionsvorschusses überhaupt berechtigt ist.

Ähnliche Vereinbarungen

 „Wir erleben es häufig, dass in Handelsvertreterverträge der Finanz- und Versicherungsbranche ähnliche Vereinbarungen enthalten sind“, kommentiert Rechtsanwalt Tobias Strübing das Urteil. Hier müsse dann immer im Einzelfall geprüft werden, ob diese Forderungen berechtigt sind. „In jedem Fall sollten Handelsvertreter solche Forderungen nicht einfach hinnehmen, sondern erst einmal einen Buchauszug einfordern und am besten rechtlich prüfen lassen“, rät er.