Nach Check24-Urteil: Wie viele Versicherer braucht ein Marktüberblick?

Der Privathaftpflicht-Vergleich von Check24 war nicht umfassend genug, urteilte kürzlich das Frankfurter Landgericht. Wie viele Versicherer Makler auf dem Zettel haben müssen, erklärt Rechtsanwalt Jens Reichow.

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08:09 Uhr | 21. September | 2021
Rechtsanwalt Jens Reichow von der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Bild: Kanzlei Jöhnke & Reichow

Rechtsanwalt Jens Reichow von der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Bild: Kanzlei Jöhnke & Reichow

procontra: Check24 hatte in seinem Privathaftpflicht-Vergleich 38 von 89 möglichen Versicherern aufgeführt. Den Richtern am Frankfurter Landgericht war das zu wenig. Gemäß § 60 I VVG muss ein solcher Vergleich eine hinreichende Anzahl von auf dem Markt angebotenen Versicherern beinhalten. Wären aus Ihrer Sicht 38 von 89 auch zu wenig, wenn ein klassischer stationärer Makler den Vergleich durchführt?  

Jens Reichow: Der Gesetzgeber hat sich in § 60 Absatz 1 VVG mit dem Begriff der ‚hinreichenden Anzahl‘ bewusst für einen auslegungsfähigen Begriff entschieden und keine bestimmte Quote von zu berücksichtigenden Angeboten festgesetzt. Der Anteil von am Markt zu berücksichtigenden Angeboten, wird daher je nach Versicherungssparte unterschiedlich zu bewerten sein. Je geringer die Anzahl von Angeboten in einer Sparte ist, desto höher dürfte wohl auch der Anteil der zu berücksichtigenden Versicherer sein. Bei der Privathaftpflichtversicherung handelt es sich jedoch um ein Standardprodukt, das von vielen Versicherern angeboten wird. Hier könnte nach meinem Dafürhalten daher auch ein höherer Anteil an Angeboten unberücksichtigt bleiben. 38 von 89 Angeboten entspricht jedoch nicht einmal der Hälfte der angebotenen Versicherer. Ich teile daher die Ansicht des LG Frankfurt, dass das zu wenig sind – auch im klassisch stationären Bereich.  

procontra: Sofern die Anzahl der Versicherer für einen Vergleich nicht hinreichend ist, sieht § 60 I VVG eine Ausnahme vor, wenn der Vermittler seinen Kunden vor Abschluss ausdrücklich auf eine eingeschränkte Versicherer- und Vertragsauswahl hinweist. Können auch klassische stationäre Makler ihren Kunden einfach immer diesen Hinweis vorlegen und sind damit fein raus?  

Reichow: Eine Eingrenzung der Marktgrundlage nach § 60 VVG darf nur ‚im Einzelfall‘ erfolgen. Es handelt sich also um eine Ausnahmeregelung. Grundsätzlich soll der Versicherungsmakler also eine hinreichende Anzahl von Angeboten berücksichtigen. Für den flächendeckenden Einsatz eignen sich entsprechende Hinweise also nicht. Ein Anwendungsbereich könnte allerdings sein, wenn ein Makler eine Versicherung in einer Sparte vermittelt, in der er nicht regelmäßig tätig ist und in der er sich daher noch keinen Marktüberblick verschaffen konnte.  

procontra: Ist das hier genannte Urteil ausschlaggebend für klassische stationäre Makler, um ihren Beratungsprozess zu verändern?  

Reichow: Definitiv. Das gilt gerade, weil das LG Frankfurt betont, dass auch Direktversicherer zur Beratungsgrundlage des Versicherungsmaklers gehören. Das LG Frankfurt teilte damit die Meinung, die auch bereits andere Instanzgerichte jüngst vertreten haben. Zwar sind mir noch keine obergerichtlichen Entscheidungen oder ein Urteil des BGH zu dieser Frage bekannt geworden, jedoch ergibt sich durchaus eine gewisse Tendenz in der Rechtsprechung, die von Versicherungsmaklern beachtet werden sollte. Um nicht in die Haftung zu gelangen, sollten Versicherungsmakler daher auch Direktversicherungen bei ihrer Beratung berücksichtigen. Auf diese Aspekte der Maklerhaftung gehen wir auch in unserem Blog ein. 

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