Urteil

Entschädigung auch für Pferde mit geringem Wert

Eine Hundebesitzerin hatte den fünfstelligen Betrag für die medizinische Behandlung eines gestürzten Pferdes nicht begleichen wollen. Ist sie zur Kostenübernahe auch dann verpflichtet, wenn der zu zahlende Betrag den Wert des Tieres um ein Vielfaches übersteigt?

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15:02 Uhr | 27. Februar | 2023
Pferd auf der Weide

Muss der Schädiger eines verletzten Pferdes entstehende Behandlungskosten auch dann vollständig tragen, wenn sie den Wert des Tieres um ein Vielfaches übersteigen? | Quelle: Janine Lamontagne

300 Euro. So viel betrug der wirtschaftliche Wert des Pferdes, die Behandlungskosten in der Tierklinik lagen um das 49-fache darüber. Muss der Schädiger des Tieres trotz dieser großen Differenz die Klinikkosten vollständig tragen? Darüber hatte das Oberlandesgericht Celle in einem aktuellen Verfahren zu entscheiden (Az: 20 U 36/20).

Was war passiert?

Im Sommer 2019 war ein damals 24 Jahre alter Wallach zu Schaden gekommen, als er auf der Flucht vor einem Hund mehrfach gestürzt war und sich dabei schwer verletzte. Der Unfall ereignete sich, nachdem der Hund auf die Pferdekoppel gelaufen war und das Tier bis in den nächsten Ort verfolgt hatte. Der Pferdebesitzer und Kläger ließ das Tier nach dem Sturz für mehr als 14.000 Euro in einer Tierklinik operieren.

In erster Instanz entschied das Landgericht Verden: Die Hundehalterin habe die Behandlungskosten vollständig zu bezahlen. Dagegen legte die Hundebesitzerin vor dem Oberlandesgericht Celle Berufung ein. Recht bekam sie am Ende nicht, ihre Berufung wurde abgewiesen.

Die Begründung der Richter: Der Schaden sei zwar auf den Fluchtinstinkt des Pferdes zurückzuführen. Allerdings habe das Pferd nicht nur infolge eines kurzen Erschreckens gescheut und sei dann weggelaufen. Stattdessen wurde es von dem Hund über die Koppel, den Weidezaun und weiter auf der Straße bis in die nächste Ortschaft „auf das Äußerste“ getrieben. Diese vom Hund ausgehende Gefahr habe den „eigenen Verursachungsbeitrag durch das Pferd“ deutlich überwogen.

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Streng wirtschaftliche Betrachtung verbietet sich

Zudem seien die Behandlungskosten, die den wirtschaftlichen Wert des Tieres um das 49-fache überstiegen, vollständig zu ersetzen. Der Mensch habe „Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf und schmerzempfindliches Lebewesen“, daher verbiete sich eine streng wirtschaftliche Betrachtungsweise. Vielmehr seien sämtliche Umstände abzuwägen – unter anderem die Erfolgsaussichten der Behandlung, das Alter des Tieres, aber auch die Beziehung des Halters zu ihm. Zum letzten Punkt wiesen die Richter hin: Der Wallach war das erste Pferd, das der Kläger erworben und zu dem er von Anfang an eine besonders enge Bindung gehabt hatte. Der Mann hatte das Pferd kurz nach dessen Geburt gekauft und auf ihm das Reiten erlernt. Nach seiner aktiven Reiterzeit behielt er das Pferd weiter und nutzte es als Beistellpferd. Vor dem Unfall sei das Tier in einem sehr guten Zustand gewesen. Folglich muss die Frau für die Behandlungskosten des Pferdes aufkommen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.