All-Risk-Versicherungen: Alles andere als Rundum-Sorglos-Paket
Ein Sturm fegt über das Land, beschädigt das Dach des Hauses eines versicherten Kunden und verursacht einen riesigen Schaden. Der Versicherte ist sich sicher, dass seine Gebäudeversicherung für den Schaden aufkommt, immerhin deckt seine Police Sturmschäden ab. Doch dann folgt die böse Überraschung: Die Versicherung kommt nur für Schäden ab Windstärke acht auf – ärgerlich, denn der aktuelle Sturm lag mit 7,8 nur leicht darunter, war aber nicht weniger folgenschwer. Auf den Makler, der die Police vermittelt hat, kommen nun unangenehme Diskussionen zu. Im schlimmsten Fall muss er sogar für den Schaden haften, wenn er den Kunden beim Abschluss nicht ausreichend beraten hat.
Solche bösen Überraschungen in der Schadenbearbeitung gehören für Makler zum unliebsamen Teil des Jobs. Eine Lösung für das Problem bieten All-Risk-Versicherungen. Sie finden sich im privaten Bereich am häufigsten bei Wohngebäude- sowie Hausratversicherungen wieder, im gewerblichen Bereich in Form von Inhaltsversicherungen. Zu den bekanntesten Anbietern von All-Risk-Policen gehören etwa die Hiscox, die Helvetia, die Axa, die HDI, die Bayrische und die Allianz.
(K)ein Rundum-Sorglos-Paket
Im Vergleich zu den Standard-Versionen haben diese Policen einen entscheidenden Vorteil: Ob Einbruch-, Feuer- oder Sturmschäden – Makler und Versicherte müssen im Vertrag nicht mühsam zusammensuchen, was die Police alles abdeckt. Sie versichert automatisch alle Risiken, die nicht explizit ausgeschlossen sind. „Diese Sicherheit, dass eine bestmögliche Absicherung gewählt wurde, minimiert nicht nur die Haftung des Maklers, die Police ist auch für den Kunden deutlich sinnvoller und verständlicher“, sagt Daniel Steinberger, Berater beim Versicherungsmakler Fairfekt. Er vermittelt All-Risk-Policen und weiß deren Vorteile zu schätzen.
Allerdings ist eine Versicherung, die jedes Risiko abdeckt, zu schön – und auch zu teuer –, um wahr zu sein. Auch mit Allgefahrenpolicen können Versicherungsnehmer nicht jeden Schaden absichern: „Es gibt je nach Tarif noch eine ganze Anzahl an Risiken, die ausgeschlossen sind“, erklärt Steinberger. Dazu gehören bei Gebäudeversicherungen beispielsweise oft Kriegsereignisse, Allmählichkeits- oder Bauschäden. Das Problem: „Kunden könnten sich in falscher Sicherheit wiegen, weil der Tarif zwar „All-Risk“ heißt, aber es eben doch einfach nicht möglich ist, alle Eventualitäten zu versichern“, warnt Steinberger.
Damit es in der Haftung hinterher nicht zu Schwierigkeiten kommt, müssen Berater deshalb auch bei All-Risk das Kleingedruckte lesen und den Kunden sämtliche Ausschlüsse erklären, sodass gar nicht erst Fehlvorstellungen entstehen.
Eine Preisfrage
Trotz der Ausschlüsse ist in Allgefahren-Policen immer noch einiges mehr abgedeckt als in Standardversicherungen der gleichen Art. Das hat allerdings auch seinen Preis: All-Risk-Versicherungen kosten Versicherte häufig mindestens das Doppelte der Prämien, die sie für Standard-Sachversicherungen zahlen müssten, weiß Robert Floetemeyer, Experte für Sachversicherungen und All-Risk-Policen beim Makler Hoesch & Partner. So können All-Risk-Hausratversicherungen schnell 1.500 bis 1.600 Euro im Jahr kosten. Daher sind sie nach wie vor ein Nischenprodukt. „Private Allgefahren-Versicherungen für Gebäude und Hausrat können als Premium-Segment angesehen werden“, sagt Floetemeyer. „Sie nehmen in der Regel hochwertige Haushalte in gehobenen Wohnlagen in den Fokus.“
Einige Anbieter haben bei ihren Versicherungssummen sogar Limits nach unten und versichern etwa nur einen Hausrat mit einem Mindestwert von 300.000 Euro. Entsprechend haben es Berater gerade im Privatbereich nicht leicht, Kunden für diese Police zu gewinnen. „Nur alteingesessene und traditionsreiche Versicherungsmakler verfügen über die erforderlichen Verbindungen, um hier erfolgreich einen Schwerpunkt ihrer Geschäftsausrichtung setzen zu können.“, erklärt Floetemeyer.
Bessere Vermittlungschancen haben Makler alternativ bei Kunden mit hohem Sicherheitsbedürfnis aus dem gehobeneren Mittelstand. Allerdings sehen Experten aus der Branche das teilweise kritisch. „All-Risk-Policen sind für Kunden vor allem über den Preis miteinander vergleichbar, kaum aber über den Inhalt. Daraus ergibt sich die Gefahr, dass risikoaverse Kunden alles Mögliche versichern wollen und Risiken mitbezahlen, die sie gar nicht versichern müssten“, warnt Claus Hunold, Leiter des Maklervertriebs Komposit bei der Axa.
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Obwohl die Axa selbst verschiedene Allgefahrenpolicen anbietet, sieht er diese kritisch. „All-Risk-Policen haben zwar für risikoaverse Kunden ihre Daseinsberechtigung, sollten aber erst am Ende eines Beratungsgesprächs stehen“, rät Hunold. An erster Stelle sollten Makler die Absicherungsbedarfe der Kunden erfragen, empfiehlt er, und nur bei extrem risikoscheuen Kunden die kostspieligen Allgefahrenversicherungen als Option auf den Tisch legen.
Ist die entsprechende Klientel erstmal gefunden, sind All-Risk-Policen gerade am Anfang sehr beratungsintensiv. Beispiel Hausratversicherung: „All-Risk-Versicherer brauchen als Basis für ihre Kalkulation aktuelle und nach Sachgruppen differenzierte Versicherungssummen“, sagt All-Risk-Vermittler Floetemeyer. Vom Chagall-Kunstwerk bis zum Toaster: Makler sollten die Versicherungssumme so adäquat wie möglich aufführen, damit auch wirklich alles versichert ist und die Prämie die richtige Höhe hat. Um Versicherungssummen möglichst präzise zu ermitteln, macht Floetemeyer Hausbesuche, denn häufig schätzen Kunden diese selbst niedriger ein, als sie tatsächlich sind.
Achtung, Obliegenheiten!
Die größten Stolpersteine in der Beratung lauern aber nicht bei der Versicherungssumme, sondern bei den Obliegenheiten, also den Verpflichtungen der Versicherten gegenüber der Versicherung. Ob ein offen gelassenes Fenster oder das Fehlen einer Alarmanlage schon als fahrlässig gilt, sollten Berater vorab klären und ihren Kunden deutlich mitteilen. Verhält sich der Versicherte aus Anbietersicht fahrlässig, kann das im Schadenfall zum Problem werden. „Makler haben oft nicht alle Obliegenheiten auf dem Schirm“, sagt Hunold von der Axa. „Kunden dürfen sich eben auch bei einer All-Risk-Police nicht in dem Glauben wähnen, alles sei versichert, auch wenn sie grob fahrlässig Obliegenheitspflichten verletzen.“
Das gilt für gewerbliche ebenso wie für private All-Risk-Policen. „Fast alle Rechtsstreitigkeiten nach Schadenfällen drehen sich um das Thema Obliegenheiten“, sagt Cäsar Czeremuga. Er ist Rechtsanwalt und Berater für Unternehmen im Haftungs- und Versicherungsrecht bei der Kanzlei Wilhelm Rechtsanwälte in Düsseldorf. Rechtsstreitigkeiten zu Obliegenheitsthemen landen immer wieder auf seinem Tisch.
Oft sind die Obliegenheiten sehr vage formuliert, bemängelt der Jurist. Typisch ist etwa eine Klausel, in der steht, der Versicherungsnehmer solle „alle gesetzlichen, behördlichen oder in dem Versicherungsvertrag vereinbarten Sicherheitsvorschriften beachten“. Was genau das bedeutet, weiß nicht einmal der Anwalt.
Weit gefasste Klauseln wie diese sind aus Versicherersicht aber notwendig. „Im Umkehrschluss würde es bedeuten, der Versicherer müsste alle diese Vorschriften explizit als Obliegenheiten in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufführen“, erklärt Christian Buschkotte, Managing Director beim der Provinzial-Tochterfirma Andsafe, die Inhaltsversicherungen für Unternehmen anbietet.
Trotzdem ist diese Klausel im Schadenfall häufig Streitgrund zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern, warnt Rechtsanwalt Czeremuga. Um solchen Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, sollten Makler jeden noch so kleinen Punkt abklären und im Zweifel bei den Anbietern Rückfragen stellen, empfiehlt er.
Das gilt ebenso für alle Obliegenheiten privater All-Risk-Policen. „Damit eine All-Risk-Police am Ende für den Kunden und seinen Makler tatsächlich ein echtes „Rundum-Sorglos-Paket“ für viele Jahre ist, müssen Makler besonders kompetent und gründlich beraten“, sagt All-Risk-Makler Floetemeyer. „Dann hält die Schadenbearbeitung am Ende, was der Vertrag verspricht.“
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