Hohe Inflation: Die Folgen für Versicherer und Versicherte

Die Inflationsrate steigt und steigt – im Mai auf 7,9 Prozent. Auch in der Versicherung sind die Auswirkungen bemerkbar und zwar in allen Sparten. Ob Beitragsanpassungen nun unmittelbar bevorstehen, darüber informierte nun die Deutsche Aktuarvereinigung in ihrem Jahrespressegespräch.

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14:05 Uhr | 30. Mai | 2022
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Fotolia / pathdoc

Es wird immer teurer und teurer: Am Montag meldete das Statistische Bundesamt, dass die Inflationsrate in Deutschland im Mai voraussichtlich auf 7,9 Prozent gestiegen sein wird. Damit haben die Preise noch einmal stärker als im April angezogen – da lag die Inflationsrate noch bei 7,4 Prozent. Als Preistreiber gelten vor allem die Preise für Energie (+38,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat), doch auch Nahrungsmittel verteuerten sich gegenüber dem Vorjahr überdurchschnittlich (+11,1 Prozent).  

Die steigenden Preise machen sich für die Deutschen jedoch nicht nur an der Tankstelle und im Supermarkt bemerkbar, auch Versicherungsnehmer bekommen aller Voraussicht nach die Preissteigerungen zu spüren. „Die Folgen der massiv angestiegenen Inflation werden sich kurz- bis mittelfristig auch in nahezu allen Sparten des deutschen Versicherungswesens niederschlagen“, bemerkte Dr. Maximilian Happacher, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung bei deren Jahrespressgespräch am Montag.  

Höchster Anstieg seit 51 Jahren

Betroffen von der hohen Inflation, die ein solches Niveau zuletzt während der ersten Ölkrise 1973/74 aufwies, sind dabei sämtliche Versicherungssparten. Besonders augenscheinlich sind die Auswirkungen dabei für die deutschen Schaden- und Unfallversicherer, die sich mit höheren Reparatur- und Handwerkerkosten konfrontiert sehen.  

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So ist beispielsweise der für die Wohngebäudeversicherung wichtige Baupreisindex im vergangenen Jahr um über 14 Prozent gestiegen – der größte Anstieg seit 51 Jahren. Auch in der Kfz-Versicherung schlagen sich die steigenden Kosten für Ersatzteile und Reparaturkosten nieder, der maßgebliche „Reparaturkostenindex Kraftfahrt“ stieg zuletzt merklich an. Vor allem Lieferkettenprobleme für elektronische Komponenten hätten hier in der jüngeren Vergangenheit deutliche Preissteigerungen hervorgerufen, so Happacher.  

Dass die Versicherer diese Preissteigerungen in Form höherer Prämien an ihre Kunden weiterreichen, ist zwar naheliegend, aber nach Meinung der Versicherungsmathematiker nicht pauschal ausgemacht. „Aus diesen Daten lassen sich aber keine generellen Prognosen zur künftigen Prämienentwicklungen ableiten, da Umfang und Geschwindigkeit von Preisanpassungen stark unternehmensindividuell sind“, erläuterte Happacher.  

Auswirkungen auf die PKV

Auch in der privaten Krankenversicherung dürfte sich die Inflation mittelfristig bemerkbar machen. Zwar ist hier der maßgebliche Treiber für Beitragsanpassungen der medizinisch-technische Fortschritt, der von der Inflation unabhängig ist. Jedoch dürften sich zusätzlich die Kosten für Medikamente und Heilmittel durch die hohe Inflation weiter verteuern. „Es bleibt zudem abzuwarten, welche Folgen die Inflationsentwicklungen auf die kommenden Tarifabschlüsse und damit die Lohnkosten im Gesundheitswesen hat. Das ist die große Unbekannte in allen derzeitigen Modellen“, so Happacher.  

Bei den Versicherungsprämien dürften sich die Inflations-Auswirkungen jedoch frühestens 2024 niederschlagen. Für etwaige Beitragsanpassungen im kommenden Jahr seien nämlich die Daten des Jahres 2021 maßgeblich. Zudem seien Prämienanpassungen stark von der Kollektivzusammensetzung sowie der Kostenentwicklung in den jeweiligen Unternehmen abhängig, die Entwicklungen dürften somit von Versicherer zu Versicherer unterschiedlich ausfallen.  

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Auch auf die Lebensversicherung hat die hohe Inflation Auswirkungen, obwohl die Versicherer hier keine Sachschäden zu begleichen haben. Allerdings wirken sich die Preissteigerungen auf den Realzins auf, also den die Veränderung der Kaufkraft berücksichtigenden Zins. „Leider ist die Realverzinsung bei Bank- und Versicherungsprodukten, die nicht in Aktien oder andere chancenreiche Substanzwerte investieren, im Moment so negativ wie nie zuvor und sie wird mittelfristig auch negativ bleiben.“  

Die Schlussfolgerung dieser Entwicklung dürfte jedoch nicht sein, weniger zu sparen. „Denn die Inflation ändert nichts daran, dass die Menschen künftig mehr statt weniger kapitalgedeckte Altersvorsorge benötigen“, bemerkte Happacher.

Rahmenbedingungen anpassen

Zusätzlich sei jedoch auch die Politik gefordert, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen die Versicherer dem „Zangengriff aus hoher Inflation und niedrigen Kapitalmarktzinsen“ entfliehen können. „Erstens sollte die Politik die rechtlichen Rahmenbedingungen so anpassen, dass Versicherer mehr in chancenreiche Anlagen investieren können“, formulierte Happacher. Gemeint sind damit inflationsgeschützte Anlagen wie Aktien oder auch Infrastrukturinvestments.  

Zugleich müsse auch die hundertprozentige Beitragsgarantie, die in Teilen der betrieblichen Altersversorgung sowie in der Riester-Rente gilt, überdacht werden – eine Forderung, die von Seiten der Aktuare in der Vergangenheit bereits mehrfach vorgebracht worden war.  

Zudem sei die Europäische Zentralbank aufgefordert, „dem Vorbild der US-amerikanischen FED zu folgen und die Zinsen schrittweise zu erhöhen“, so Happacher. Die amerikanische Zentralbank hatte bereits im März den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte angehoben, im Mai folgte schließlich eine weitere Anhebung um 0,5 Prozentpunkte. Für Europa wird eine Leitzinserhöhung ebenfalls in Kürze erwartet.  

Steigen die Überschussbeteiligungen?

Für die Versicherer hätte ein Zinsanstieg nicht nur spürbar bessere Solvenzquoten zur Folge, auch eine schnellere Ausfinanzierung der Zinszusatzreserve steht in Aussicht. „Sollte sich das aktuelle Zinsniveau verstetigen, wird die Zinszusatzreserve im Branchenschnitt Ende 2021 mit knapp 100 Milliarden Euro wohl ihren Höchststand erreicht haben und wird in den kommenden Jahren sogar leicht fallen“, erklärte DAV-Past-President Dr. Guido Bader.  

Das freiwerdende Geld könnten Lebensversicherer dafür nutzen, kurzfristig die Überschussbeteiligungen anzuheben, um auf diese Weise ihr Neugeschäft anzukurbeln. Aus Aktuarssicht sei ein solcher Schritt jedoch nicht ratsam, betonte DAV-Vorsitzender Herbert Schneidemann.  

Denn durch den Zinsanstieg werden in vielen Häusern sogenannte stille Lasten gebildet. Gemeint ist damit, dass zu einem früheren Zeitpunkt gekauften Zinspapiere mittlerweile weniger wert sind. Diese werden die meisten Versicherer durch die freiwerdenden Mittel erst einmal ausgleichen, erwarten die Versicherungsmathematiker. „Erst mittel- bis langfristig werden die Auflösung der Zinszusatzreserve sowie die höheren Zinsen bei der Neu- und Wiederanlage der Versichertenbeiträge den Versicherungsnehmenden unseres Erachtens in Form höherer Kapitalerträge zugutekommen“, erwartet Bader. Eine generelle Prognose für alle Unternehmen sei jedoch nicht möglich.

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