Wurden Menschen, die ihr Geld für Bio-Lebensmittel ausgaben, einst als „Hippies“ oder „Körnerfresser“ tituliert, ist das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen – dem Klimawandel und Greta Thunberg sei Dank. Einer Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung zufolge erhöhte sich der Anteil der deutschen Verbraucher mit umwelt- und sozialethischer Konsumhaltung, sogenannter LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) zuletzt deutlich, anderen Studien zufolge bilden die LOHAS schon die Mehrheit unter den Konsumenten.
„Grüne“ Produkte gibt es nicht mehr nur im Reformhaus, sondern auch beim Makler. Denn auch bei einigen Versicherern findet allmählich ein Umdenken statt. Nicht nur bei der nachhaltigen Geldanlage – sondern auch in der Sachversicherung.
Die Versicherungsbranche nachhaltiger aufstellen, möchte unter anderem Marie-Luise Meinhold, die im November 2016 die ver.de Genossenschaft gegründet hat. Im Dezember dieses Jahres kommt über die mittlerweile ebenfalls gegründete ver.de AG mit einer Fahrradversicherung der erste nachhaltige Tarif auf den Markt. Kunden erhalten im Schadensfall einen Zuschlag von bis zu 20 Prozent auf den Kaufpreis ausgezahlt, ab drei Jahren Schadensfreiheit werden zudem Beiträge erstattet. „Kunden bekommen darüber hinaus mit dem Vertragsabschluss ein Fahrradschloss geliefert, das wir in diesem Jahr entwickelt haben“, fügt Meinhold, die zuvor in mehreren Führungspositionen bei der Allianz arbeitete, hinzu.
Mittelfristig soll – sobald das notwendige Kapital zusammen ist – ver.de zu einem richtigen Sachversicherer mit breiterem Produkt-Portfolio ausgebaut werden. „Dann wollen wir auch auf Vermittler setzen“, sagt Meinhold. Bislang ist für diese nur eine Zusammenarbeit mittels Tippgeber-Provision möglich.
Kundengelder grün anlegen
Doch Meinhold will mehr, als ihren Kunden Impulse für ein nachhaltiges Leben zu geben. Entscheidender sei vielmehr, wie die Kundenbeiträge angelegt werden. Gerne greift Meinhold in diesem Zusammenhang auf ein Zitat des amerikanischen Umweltaktivisten Bill McKibben zurück: „Geld ist der Sauerstoff, der das Feuer der globalen Erwärmung antreibt.“ Und Versicherungen legen in Deutschland das meiste Geld an – „mehr noch als die Banken“, betont Meinhold. Allein die deutschen Schaden- und Unfallversicherer hatten im vergangenen Jahr knapp 168 Milliarden in Anleihen, Aktien oder Immobilien investiert. Bei Ver.de sollen die Kundenbeiträge ausschließlich in „zukunftsweisende Entwicklungen“ investiert werden – hierunter fallen unter anderem Erneuerbare Energien oder die Bio-Landwirtschaft. Schon mit 40.000 Kunden könnten insgesamt 17 Millionen Euro zukunftsweisend angelegt werden, ohne die gesetzlichen Vorlagen zu unterlaufen, rechnet ver.de vor.
Auch andere Versicherer treiben das Thema Nachhaltigkeit voran: Die Barmenia bietet beispielsweise Preisnachlässe in der Kfz-Versicherung für Kunden, deren Autos mit kleinem Hubraum auskommen. Die Waldenburger legt das Geld ihrer Kunden mittlerweile nach ESG-Kriterien an, bei Greensurance können Kunden mittels gesammelter Ökopunkte ihre Beiträge reduzieren.
Auch in Ostfriesland hat man auf die gesteigerte Nachfrage nach nachhaltigen Produkten reagiert: „Wir beobachten die aktuelle Diskussion um den Klimawandel und merken, dass immer mehr ein Umdenken in den Köpfen der Menschen stattfindet“, erklärt Tobias Hoiten, Marketingleiter der NV-Versicherungen. Seit rund drei Jahren bietet der Versicherer nachhaltige Hausrat-, Haftpflicht-, Wohngebäude sowie Unfallversicherungen an, seit Oktober dieses Jahres unter dem Label „bessergrün“.
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Chancen für Makler
Insgesamt bieten die Versicherungen drei nachhaltige Kernaspekte: die Pflanzung eines Baums pro Vertragsabschluss, die nachhaltige Anlage der Beiträge sowie die Gewährung nachhaltiger Mehrkosten im Schadensfall. „Geht durch einen Schaden beispielsweise ein Kühlschrank kaputt, beteiligen wir uns an den Mehrkosten bei der Wiederbeschaffung eines energieeffizienten Gerätes“, erklärt Hoiten. Dies können bei den Premium-Tarifen bis zu 60 Prozent sein. In der Unfallversicherung wird hingegen die Invaliditätsleistung um bis zu zehn Prozent erhöht, wenn der Unfall im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit passiert.
Preislich schlägt sich die Nachhaltigkeit nur geringfügig nieder: „Der Aufschlag beträgt bei uns fünf Prozent. Genau davon finanzieren wir die Bäume, die gepflanzt werden“, erläutert Hoiten.
Auch für den Makler bieten die nachhaltigen Produkte neue Möglichkeiten, ist Hoiten überzeugt: „Für den Makler sind die nachhaltigen Versicherungen eine ganz neue Möglichkeit, mit dem Kunden über Versicherungen zu sprechen. Haben bisher Diskussionen über den Preis stattgefunden, kann der Vermittler viel mehr auf die soziale Nachhaltigkeit eingehen und über Nachhaltigkeit diskutieren.“
Hinweis: Der Text erschien zuerst in Good-News-Ausgabe der procontra 06/19.
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