Pflege-Serie (II): Privates Pflegetagegeld als Lückenfüller

Die brennendsten Fragen zur Pflege-Zusatzversicherung beleuchtet in einer sechsteiligen Serie der Pflege-Sachverständige Bert Heidekamp. Heute: Wie sich die Lücken bei der gesetzlichen Pflegeversicherung mit privatem Pflegegeld schließen lassen.

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12:10 Uhr | 01. Oktober | 2020
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Versicherer sollten eine optionale Möglichkeit bieten, dass der Kunde wählen kann, ab welchem Pflegegrad die Beitragsbefreiung erfolgen soll, fordert Analyst Bert Heidekamp. Bild: Pohl

Die Pflegepflichtversicherung organisiert seit 1995 die Versorgung von Pflegefällen, allerdings quasi nur als eine Art Teilkasko-Absicherung, die gravierende finanzielle Lücken lässt (procontra berichtete). Derzeit müssen Pflegebedürftige im Schnitt monatlich 2.015 Euro Eigenanteil im Pflegeheim bezahlen, Tendenz weiter steigend (procontra berichtete). Im schlechtesten Fall bekommt man keinen Pflegeplatz oder ambulanten Pflegedienst.

Mit einer privaten Pflegezusatzversicherung lässt sich der finanzielle Ruin und Sozialfall vermeiden. „Das Pflegetagegeld ist eine Lösung, in manchen Situationen sogar die einzige“, sagt Versicherungsmakler Bert Heidekamp, zugleich Analyst sowie erster vom Bundesverband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter (BDSF) geprüfter und zertifizierter Sachverständiger für Berufsunfähigkeits-, Unfall- und Pflegeversicherungen.

Das Pflegetagegeld und die Risiken

Das Pflegetagegeld zählt zur Sparte der Krankenversicherung. Somit sind die Rechnungsgrundlagen anders als bei der Lebensversicherung. Das bekommen derzeit einige Versicherte mit Beitragsanpassungen zwischen 60 und 100 Prozent hart zu spüren. Krankenversicherer können die Beiträge erhöhen, etwa dann, wenn die niedrigen Zinsen die Kalkulationsgrundlage geändert haben oder überproportional viele Pflegefälle auftreten. Versicherte können laut Paragraf 204 VVG in einen anderen Tarif wechseln, „soweit es einen gibt, denn darauf wird man wohl noch ein wenig warten müssen“, relativiert der Analyst.

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Neben den Beitragserhöhungen sehen Pflegegeldtarife meist auch eine Dynamik vor. Je nachdem, welchen Tarif man gewählt hat, könnten Widersprüche des Kunden zu den Dynamikerhöhungen beim Beitrag auch zum Verlust der garantierten Leistungsdynamik führen. „Hier sollte der Vermittler genau in das Bedingungswerk schauen und dem Kunden die möglichen Folgen erklären, denn nur wenige Tarife bieten eine unbegrenzte Möglichkeit, Dynamikerhöhungen zu widersprechen“, weiß der Sachverständige.

Beitragsbefreiung als zweischneidiges Schwert

Ein Reizthema ist die Beitragsbefreiung. Steigen die Beiträge, könnte die Versicherung im Rentenalter und Pflegefall eventuell unbezahlbar werden. Besteht eine Beitragsbefreiung ab Pflegegrad 2, können dem Versicherer erhebliche Beitragseinnahmen fehlen, was wiederum den Trend zur Beitragssteigerung verstärken kann. Aus diesem Grund wird oft die Erhöhung des Tagegeldes empfohlen, hat Heidekamp beobachtet.

„Doch das ist keine gute Lösung“, urteilt der Analyst. Versicherer sollten eine optionale Möglichkeit bieten, dass der Kunde wählen kann, ab welchem Pflegegrad die Beitragsbefreiung erfolgen soll. Beim Münchener Verein etwa kann man wählen, ob man eine Beitragsbefreiung will; die Wahl besteht ab Pflegegrad 2 oder 4.

Pro und contra bei Pflege-Bahr-Tarifen

Bei den staatlich geförderten Pflege-Bahr-Tarifen (procontra berichtete) besteht laut Heidekamp ein erheblich höheres Risiko, dass die Beiträge steigen. Es gebe aber auch Vorteile, etwa der Kontrahierungszwang. Ist aufgrund des Gesundheitszustandes kein Abschluss einer Pflegegeldversicherung möglich, kann der Pflege-Bahr eine Alternative sein. Bei der Auswahl der Tarife seien zu beachten: Wartezeit, Dynamikregelungen und die Höhe der Leistungen je Pflegegrad.

Zwar wird der Tarif mit 5,00 Euro pro Monat staatlich gefördert, was aber nicht den Blick auf die Bedingungsqualität ersetzen kann. Sogenannte Kombi-Tarife von Pflege-Bahr und „vollwertiger“ Pflegegeldversicherung wie bei der Debeka hält Heidekamp für nicht empfehlenswert, weil dort die normale Pflegezusatzversicherung immer nur mit dem Pflege-Bahr-Tarif zusammen abgeschlossen werden kann.

Seite 1: Chancen und Risiken beim privaten Pflegegeld
Seite 2: Warum nicht jeder Tarif für verschiedene Zielgruppen passt

Generell von Vorteil beim Pflegetagegeld ist, dass man Kinder im Pflegefall der Eltern finanziell entlasten kann. So ist auch eine Nachversicherung ohne Gesundheitsfragen nur beim Pflegetagegeld möglich. Das ist zum Beispiel dann sinnvoll, wenn ein Elternteil bereits eine Pflegezusatzversicherung hat. Zudem besteht je nach Tarif eine hohe Flexibilität, so dass für jeden Finanzbedarf die passende Absicherung möglich ist. „Besonders im Pflegegrad 2 und 3 gibt es viele Fälle, also muss das Pflegegeld für die ambulante Pflege entsprechend hoch versichert sein“, so Heidekamp. Hintergrund: Die meisten Kunden wollen stationäre Pflege um jeden Preis verhindern, insbesondere Wohneigentümer.

Bedingungsunterschiede, Ratings und Orientierung

Die Bedingungen von Pflegetagegeldversicherungen unterscheiden sich erheblich. „Ich stelle Qualitätsunterschiede zwischen 25 und 40 Prozent fest“, sagt Heidekamp, der auch Inhaber der Online-Plattform fairtest.de ist, die Versicherungsbedingungen von Pflege-Zusatzpolicen analysiert und bewertet. Dabei werden über 200 Schwerpunktfragen mit über 1.200 Qualitätsmerkmalen bewertet. Erstmalig 2018 wurden diese Merkmale Zielgruppen zugeordnet. Die besten Tarife wurden mit einem „Qualitäts-Award“ ausgezeichnet und veröffentlicht (procontra berichtete).

Heidekamp kennt kein anderes Rating oder Testberichte, die ausreichende Bedingungsmerkmale qualitativ bewerten. „Bedingungsunterschiede beim Pflegegeld gibt es insbesondere bei der Anerkennung des Pflegefalls, der Definition, den Ausschlüssen, bei den Obliegenheiten und Mitwirkungspflichten, im Geltungsbereich, den Nachversicherungsoptionen, bei Dynamik und Beitragsregelungen“, erklärt der Analyst. Aber auch bei Antrags- und Risikofragen sowie Annahmerichtlinien unterschieden sich die Tarife erheblich. So gibt es Versicherer, die keine Gesundheitsfragen zu psychologischen/psychische Behandlungen oder Erkrankungen stellen. Der regionale Geltungsbereich könne auch wichtig sein, insbesondere für Personen, die in Grenznähe wohnen.

Zielgruppen-Konzepte wichtig

Welche Ziel- und Wertungsgruppen könnten bei der Wahl eines Tarifes eine Rolle spielen? „Dies könnten Kindertarife sein oder Tarife für junge Familien, die einen Kinderwunsch haben und ohne Gesundheitsfragen eine Nachversicherung wünschen“, sagt Heidekamp. Wer noch nicht so viel finanzielle Mittel frei hat, für den könnte ein Options- oder Startertarif eine Lösung sein. Bei Senioren seien die Anforderungen sehr unterschiedlich, je nachdem, ob Angehörige oder ein Partner die Pflege mit übernehmen kann. Auch Beamte benötigen eine entsprechende Pflegevorsorge.

„Es gibt also viele Lösungsansätze“, so das Fazit des Sachverständigen. Speziell für die Zielgruppe „ohne spezielle Vorgaben“ hat fairtest.de diese drei Tarife als beste eingestuft:

  • Inter: QualiCare QC 1 und 2 sowie QU-E (Stand 10.2017), Beitragsbefreiung ab Pflegegrad 5

  • Münchener Verein: Deutsche Privat-Pflege-Premium inklusive B, NVO und EZ (Stand 9.2017), Beitragsbefreiung ab Pflegegrad 2

  • R+V: PM/PM1M Premium inklusive PE (Stand 7.2019), Beitragsbefreiung ab Pflegegrad 4 .

Wichtig ist, dass im Pflegefall ein Betrag von insgesamt ungefähr 3.000 Euro monatlich zur Verfügung steht. „Je eher die Zusatzabsicherung erfolgt, desto preiswerter der Schutz“, rät Heidekamp. In den nächsten Artikeln werden weitere private Lückenfüller für die Pflege untersucht.

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