Private Unfallversicherung: „UBR-Policen lehnen wir komplett ab“

Der Gesamtbestand an Unfallversicherungen war zuletzt stark rückläufig. Doch die Sparte sei weiterhin ein lohnendes Geschäft für Vermittler, sagt Makler Stefan Bierl. Über Beratungsregeln, No-Gos und wie man sich als Makler abheben kann, sprach er mit uns im Interview.

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10:03 Uhr | 07. März | 2022
Bild: Finanzberatung Bierl

Makler Stefan Bierl setzt bei der Beratung zur privaten Unfallversicherung auf Top-Tarife. Worauf er bei deren Auswahl achtet und wie er versucht, sich vom Markt abzuheben, verrät er im Interview. Bild: Finanzberatung Bierl

procontra: Grob unterteilt leisten Berufsunfähigkeits- und Grundfähigkeits-Policen für die Folgen von Krankheiten und Unfällen, private Unfallversicherungen nur für die Folgen von Unfällen. Warum sollte man dann überhaupt eine Unfall-Police abschließen?

Stefan Bierl (Finanzberatung Bierl): Das wichtigste Argument ist der mögliche Kapitalbedarf nach einem Unfall. Wenn ich plötzlich querschnittsgelähmt bin und im Rollstuhl sitze, muss ich möglicherweise mein Haus oder meine Wohnung barrierefrei umbauen. Das kann die Begradigung von Stufen sein oder eine flache Rampe zur Haustür. Aber auch breitere Türstöcke können nötig beziehungsweise einfach angenehmer sein oder ein kompletter Umbau des Badezimmers – da wird es schon teurer. Häufig sind Häuser und auch Maisonette-Wohnungen so geschnitten, dass die Schlafräume oben sind. Dann braucht man einen Treppenlift. Und es gibt noch viele weitere Anpassungen, die auf einmal mehrere tausend oder zehntausend Euro verschlingen können. Zum Beispiel der behindertengerechte Umbau des Autos oder ein spezieller Zweitrollstuhl, falls ich gerne Sport mache und das auch beibehalten möchte. Die BU zahlt immer nur eine monatliche Rente, aber deckt nicht diesen plötzlichen Kapitalbedarf. Das macht die Unfallversicherung schon und ich kann auch hier eine Rente mit vereinbaren. Zudem gibt es auch Unfälle, die Menschen zwar in den Rollstuhl zwingen, sie aber nicht mindestens 50 Prozent berufsunfähig werden lassen. Dann zahlt die BU nicht, die Unfall aber schon.

procontra: Ist die private Unfallversicherung beratungsintensiv?

Bierl: Ja. Es gibt bei der Auswahl der Tarife Vieles zu beachten. Wir empfehlen unseren Kunden nur Tarife, die alle zwölf Punkte unserer Leistungs-Checkliste erfüllen. Dabei geht es uns vor allem um die Unfallursachen. Schließlich kann Vieles dazu führen, dass man mit dem Auto gegen einen Baum fährt. Nahrungsmittelvergiftungen können die Reaktionsgeschwindigkeit beeinträchtigen, ebenso wie Sonnenbrand oder Sonnenstich. Alkohol, aber auch Medikamente können zur Ohnmacht am Steuer führen. Auch die Mitversicherung von Eigenbewegungen ist wichtig, ebenso wie nach Möglichkeit ein kompletter Verzicht auf einen Mitwirkungsanteil durch Vorschäden. Diese und andere Punkte sind nicht in jedem Unfalltarif automatisch dabei, daher muss der Leistungsumfang für die Kunden vorher genau geregelt sein.  

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„Das sind für uns versteckte Rentenpolicen“

procontra: Wie lange dauert bei Ihnen ein durchschnittliches Beratungsgespräch zur privaten Unfallversicherung?

Bierl: Das ist ganz unterschiedlich. Ich führe nicht jedes Beratungsgespräch persönlich, sondern nutze alle möglichen Kommunikationswege. Da lässt sich schwer eine Durchschnittsdauer ermitteln.

procontra: Wie viel Abschluss- und Bestandspflege-Courtage erhalten Makler in etwa für einen Unfall-Vertrag?

Bierl: 20 bis 25 Prozent vom Jahresnettobeitrag sind ziemlich üblich. Das gibt es dann jedes Jahr.

procontra: Ist die private Unfall aus Ihrer Sicht ein lohnendes Geschäft für Makler?

Bierl: Ja, das würde ich schon sagen.

procontra: Vermitteln Sie überwiegend klassische Unfallschutz-Policen oder solche mit Beitragsrückgewähr (UBR)?

Bierl: Nein, da haben wir bisher noch keine einzige vermittelt. UBR lehnen wir komplett ab. Das sind für uns versteckte Rentenpolicen. Der Sparanteil macht häufig mehr als die Hälfte des Beitrags aus. Mit diesem Geld macht man mit Fonds oder ETFs auf lange Sicht deutlich mehr Rendite als in der genannten Sparform. Es klingt nach einem netten Verkaufsargument, dass man nach so und so vielen Jahren seine Beiträge komplett zurückerhält und der Unfallschutz somit kostenlos war. Aber das kann man ja auch parallel mit anderen Geldanlagen erreichen. Zudem nimmt eine UBR der Unfallversicherung die Flexibilität, weil man sich durch den Sparanteil oft 20 Jahre oder länger an den Vertrag bindet. Wenn man ihn vorher kündigt, macht man durch die anfänglichen Abschlusskosten Verlust. Einen normalen Unfallvertrag hingegen kann man auch schon nach einem Jahr ohne Verluste wechseln, falls etwas nicht passt.

Seite 1: „Unfall ist ein lohnendes Geschäft für Makler“
Seite 2: „Meistens holen wir eine höhere Unfallleistung heraus“

procontra: Der Gesamtbestand an Unfall-Policen sinkt. Bemerken Sie einen generellen Nachfragerückgang oder sind vielleicht Corona-Effekte spürbar, also mehr Abschlüsse wegen Homeoffice, E-Bike-Anschaffungen o.ä.?

Bierl: Nein, das ist bei uns noch recht konstant, so wie vor drei bis fünf Jahren. Es ist nicht deutlich mehr geworden, aber auch nicht weniger. Aus den genannten Corona-Gründen, also weil sich zum Beispiel jemand ein E-Bike gekauft hat, ist noch keiner mit Interesse an einer Unfallversicherung auf uns zugekommen.

procontra: Wohin entwickeln sich gerade die Tarife der Unfallversicherer? Werden die Leistungen stark verbessert?

Bierl: Ja, da tut sich seit ein paar Jahren auf jeden Fall etwas. Die ganze Sparte SHU überschlägt sich nahezu mit Leistungsverbesserungen. Es werden halt viele kleine Verbesserungen durchgeführt. Die Beiträge werden zwar nicht günstiger, aber die Versicherer zahlen ihre hohen Gewinnquoten eben teilweise durch Leistungsverbesserungen zurück. Wir Makler können uns dann natürlich für unsere Kunden aus einer immer besseren Produktauslage bedienen.

procontra: Ist die private Unfallversicherung also ein Selbstläufer für Makler?

Bierl: Es ist sicherlich gut, wenn man versucht, sich mit einem besonderen Service abzuheben. Wir bieten unseren Kunden an, dass wir uns mit einem Medizinrechtler jeden Leistungsfall anschauen und prüfen, ob gegebenenfalls mit einem neuen Gutachten eine höhere Invaliditätszahlung realistischer ist, als der Unfallversicherer als erstes Angebot vorgelegt hat. Viele Versicherte nehmen dieses erste Angebot an, weil sie nicht wissen, dass die Invaliditätseinschätzung des Versicherers nicht in Stein gemeißelt ist. Rein theoretisch könnte unser Fachmann auch eine geringere Invalidität ermitteln, dieses Risiko besteht. Eingetreten ist das aber bei uns noch nie und der Kunde kann diese Zusatzprüfung durch uns ja auch ablehnen. Meistens erreichen wir auf diesem Wege aber eine höhere Leistung für unsere Kunden. Einmal lag diese sogar um das Sechsfache höher als das Angebot des Versicherers.

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