Riester-Rettung: Wird das noch etwas?

Die Regierung hat keine Kraft für eine Reform. Versicherer wollen das geförderte Produkt zwar retten, wenden sich gleichzeitig aber bereits ab. Kommt jetzt der Bürgerfonds?

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09:05 Uhr | 21. Mai | 2021
Riesterrente, Bild: Adobe Stock/Stockwerk-Fotodesign

Werden die klassischen Riestertarife zum Auslaufmodell? Bild: Adobe Stock/Stockwerk-Fotodesign

Das wird nix mehr! Das Bundesfinanzministerium sitzt eine Reform der Riester-Rente aus. Behördenchef Olaf Scholz (SPD) ist hier federführend. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl ist diese Prognose nicht besonders kühn. Dabei hat die schwarz-rote Koalition zugesagt, das Thema in dieser Legislaturperiode anzupacken. Auf Anfrage teilte die Pressestelle des Ministeriums mit, dass es „zur Zukunft der Riester-Rente noch sehr unterschiedliche Auffassungen und Vorschläge gibt.“

Unerfüllbare Garantie?

Damit ist auch ein Ende der bereits bei ihrer Einführung als „zu kompliziert, zu teuer und zu renditeschwach“ kritisierten Riester-Rente nicht mehr ausgeschlossen. „Wenn selbst bei der Absenkung der Garantieerfordernis nichts passiert, muss man vermuten, dass es Kräfte gibt, die die Riester-Rente bewusst schwächen wollen“, meint Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften.

Seit zehn Jahren ist das Zinsniveau im Keller. Das hat vor allem die auf Versicherungen basierende Variante der Riester-Rente erst zu einem Ladenhüter und dann zu einem Problem auch für die Versicherer gemacht. Sie müssen es schaffen, zumindest die Beitragsgarantie zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund agiert Berlin nach dem Motto: Soll doch die neue Regierung über ein zukunftsfähiges Konzept für die Förderung der privaten Altersvorsorge entscheiden, wir haben ja schließlich Neuerungen wie Mütterente, Grundrente und Rente mit 63 für langjährig Versicherte angepackt.

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Bisher hat die Bundesregierung also oft an die älteren Jahrgänge gedacht. Jüngere Menschen und Erwerbstätige müssen wieder einmal abwarten. Dabei hat die Finanzbranche in den vergangenen Monaten nochmals auf den ihre Meinung nach akuten Reformbedarf der Riester-Rente mit ihrer Beitragsgarantie hingewiesen. „Die Bundesregierung muss auch ein adäquates Angebot für die künftigen Rentnergenerationen machen“, forderte zum Beispiel Peter Schwark, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Rechnungszins fast bei Null

Dramatisch ist die Lage, seit das Finanzministerium vor einigen Wochen bekannt gab, den Höchstrechnungszins für Lebensversicherungen und Pensionsfonds zum 1. Januar 2022 auf 0,25 Prozent abzusenken. Seit 2017 liegt er bei 0,9 Prozent. Eigentlich hatten Fachleute eine Absenkung des sogenannten Garantiezinses bereits zum 1. Januar 2021 erwartet; auf 0,5 Prozent, wie Ende 2019 von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) vorgeschlagen. Doch bereits damals saß das Ministerium das Thema aus und legte keinen Gesetzentwurf vor, was sofort eine Debatte um eine Reform der Riester-Rente entzündet hätte. „Also blieb das Ministerium in Deckung“, ist zu hören.

Viele Versicherer aber mussten reagieren. Sie wenden bereits Rechnungszinssätze unterhalb des derzeitigen Höchstsatzes von 0,9 Prozent an. Laut dem Beratungsunternehmen Aon liegen viele Versicherer bereits bei den geplanten 0,25 Prozent oder sogar darunter. „Wir erwarten, dass es künftig so gut wie keine Tarifangebote mehr gegen wird, in denen eine hundertprozentige Beitragsgarantie enthalten ist“, betont Thorsten Teichmann, Partner und Mitglied der Geschäftsleitung bei Aon. Nur erwähnt werden soll, dass die betriebliche Altersvorsorge vor dem gleichen Problem steht.

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Verbände legen Plan vor

Die Produktgeber und wohl auch viele Vermittler möchten die Riester-Rente mit ihrer staatlichen Förderung aber doch irgendwie retten – Förderung ist schließlich immer ein gutes Vertriebsargument. So schlugen Ende 2020 der GDV, der Fondsverband BVI, der Verband der Privaten Bausparkassen (VdPB) und die Landesbausparkassen Alarm: „Die Zeit für eine Reform läuft davon“, hieß es laut GDV in einem Brief an das CDU-geführte Kanzleramt.

Einen Plan zur Rettung der Riester-Rente hatten die Verbände bereits 2019 erarbeitet. „Anstelle des komplizierten Zulagenwirrwarrs müssten leichter verständliche Förderverfahren treten. Jeder selbst eingezahlte Euro sollte mit mindestens 50 Cent vom Staat gefördert werden. Die Beitragsgarantie müsse gelockert werden, um eine Chance für höhere Renditen zu eröffnen – und damit auch höhere Rentenzahlungen im Alter“, erläutert der GDV. Zudem forderten die Versicherer und Finanzdienstleister, die Riester-Förderung für alle zu öffnen. Also etwa auch für Selbstständige.

Plädoyer für Gesamtpaket

Der entscheidende Punkt aber sei eine Abkehr von der 100-prozentigen Beitragsgarantie. Die vorherrschende Garantiefixierung müsse aufgehoben werden, „um dem Gedanken zum Durchbruch zu verhelfen, dass weniger Garantie auch mehr Leistung bedeuten kann“, so etwa Guido Bader, der Vorsitzende der Aktuarvereinigung DAV.

Die DAV trägt eine Forderung vor, die in der Branche oft zu hören ist: Zum 1. Januar 2022 ein Gesetzpaket zu schnüren, das sowohl eine Absenkung des Höchstrechnungszinses als auch eine Abkehr von der 100prozentigen Beitragsgarantie bei der Riester-Rente enthält. Der Versicherungsmathematiker Bader wird deutlich: „Für eine volle Beitragsgarantie muss der Garantiezins über den einkalkulierten Kosten liegen. Ein Garantiezins von 0,25 Prozent lässt aber keine angemessenen Kosten mehr zu.“

„Teures Festgeldsparen“

Ohnehin müssten sich die Versicherer teilweise schon heute bei einer 100-prozentigen Beitragsgarantie auf eine risikoarme Anlage der Kundengelder beschränken, die derzeit mitunter Negativzinsen aufweise. „Der vollständige Beitragserhalt mündet somit in einem teuren Festgeldsparen und damit einem sehr wahrscheinlichen Realwertverlust“, führt Bader aus. Sollte das skizzierte Gesetzpaket nicht geben, würden sich die meisten Unternehmen aus dem Geschäft zurückziehen. Laut einer Umfrage der Assekuranz Ratingagentur Assekurata unter 36 Lebensversicherern bieten heute bereits 15 im Neugeschäft keine Riester-Produkte mehr an.

Ob freilich die Kraft der aktuellen Bundesregierung noch ausreicht, um so ein Reformpaket durch den Bundestag zu bringen, muss bezweifelt werden. CDU und SPD können sich auf die Ausgestaltung nicht einigen. Und in der Parteienlandschaft war die staatlich geförderte private Altersvorsorge schon immer umstritten. Der Altersvorsorgespezialist Longial hat sich die Wahlprogramme mal angeschaut. Demnach möchten die Grünen – in Umfragen aktuell die stärkste Partei in Deutschland – die Riester-Rente durch einen obligatorischen Bürgerfonds ersetzen. Wer nicht mitmachen möchte, muss aktiv widersprechen. Der Bürgerfonds soll auch die gesetzliche Rente ergänzen. Letztere soll zu einer Bürgerversicherung für alle werden.

Pläne der Parteien

Eine Bürgerversicherung schwebt auch der SPD vor. Für die private Altersvorsorge ist ein Standardprodukt geplant, das kostengünstig, digital und grenzüberschreitend ist. Die Union will die Riester-Rente beibehalten, aber reformieren. Die Idee: Ein auf Aktien basiertes Standardvorsorgeprodukt, das automatisch für jeden Arbeitnehmer gilt, es sei denn er widerspricht. Die 100prozentige Beitragsgarantie ist nicht mehr vorgesehen. Die FDP schließlich möchte die gesetzliche Rente um eine gesetzliche Aktienrente erweitern – eine Art Staatsfonds, wie sie Schweden und Norwegen nutzen. In die Aktienrente soll zwei Prozent des Bruttoeinkommens fließen. Im Gegenzug sinkt der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung im gleichen Umfang.

Vor diesem Hintergrund wird verständlicher, weshalb die aktuelle Bundesregierung entgegen ihrem Koalitionsvertrag wohl keine Reform der Riester-Rente mehr schafft – und vielleicht nie ernsthaft wollte. Nach der Bundestagwahl am 24. September werden die Karten neu gemischt.

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