Anlage-Strategien: Auf die inneren Werte kommt es an

Bei stark verbilligten Aktien und schwächelnder Konjunktur rückt der Value-Anlageansatz in den Vordergrund. Wie dabei der faire, innere Wert ermittelt wird und was beim Investieren beachtet werden sollte.

09:12 Uhr | 09. Dezember | 2022
Value Investing

Ein entscheidender Punkt beim Value Investing ist es, den inneren Wert eines Unternehmens zu bestimmen. | Quelle: Peach_iStock

Das Jahr 2022 hat sich für Aktienbesitzer zu einer einzigen Nervenprobe entwickelt. Zahlreiche Aktienindizes weltweit haben teils kräftige Kursverluste verzeichnet. Der deutsche Aktienindex DAX und der Eurostoxx 50 zum Beispiel haben bis Ende Oktober jeweils rund 17 Prozent an Wert verloren, der US-amerikanische S&P 500 rund 22 Prozent und der CSI 300 mit Aktien aus Festlandchina 26 Prozent. Das Weltaktienbarometer MSCI World hat um 20 Prozent nachgegeben.

Dazu kommt eine Abschwächung der Konjunktur in zahlreichen Ländern, was sich tendenziell negativ auf Aktienmärkte auswirkt. Für 2023 rechnet das Ifo-Institut für Deutschland zum Beispiel Stand September mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent, die OECD um 0,7 Prozent. Für die Weltwirtschaft hat die OECD im September ihre Wachstumsprognose von 2,8 Prozent auf 2,2 Prozent gesenkt, der Internationale Währungsfonds im Oktober von 2,9 Prozent auf 2,7 Prozent.

Für sehr preisbewusste Anleger ist ein solches Umfeld indes ein echtes El Dorado. Aktien sind deutlich billiger zu haben als zuvor und können einen lohnenden Einstieg bieten. „Eine der erfolgreichsten Anlagestrategien besteht darin, in einer Rezession niedrig bewertete Value-Aktien einzusammeln“, sagt einer der prominentesten antizyklisch investierenden Fondsmanager Deutschlands, Peter Huber. „Value“ steht für „Wert“ und Value-Aktien demnach für werthaltige Aktien. Der Grundgedanke ist, dass ein Unternehmen einen deutlich höheren Wert und somit mehr Substanz hat, als in seinem Aktienkurs ausgedrückt ist.

Substanz richtig ermitteln

„Der entscheidende Punkt des Value Investing ist der innere Wert eines Unternehmens, der durch Buchwerte, Cashflows, Gewinne und Dividenden in Relation zum aktuellen Börsenkurs näherungsweise bestimmt werden kann“, erläutert Michael Keppler, Gründer und Chief Investment Officer von Keppler Asset Management, das auf Value-Strategien spezialisiert ist. Liegt dieser „innere“ oder „faire“ Wert deutlich über dem Aktienkurs, ist ein Unternehmen von guter Qualität nach dieser ersten Betrachtung deutlich unterbewertet und potenziell attraktiv.

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Diesen Ansatz verfolgt Keppler etwa im Aktienfonds Keppler Global Value-Invest. Das Portfolio ist einer der Value-Fonds auf dem deutschen Markt. Die Fonds sind bei den Analyseanbietern Morningstar in der Kategorie „Aktien weltweit Standardwerte Value“ und Scope Analysis in der Gruppe „Aktien Welt“ gelistet, haben von Scope ein Rating von mindestens „C“ für durchschnittlich und sind Privatanlegern ohne horrende Mindestanlagesummen zugänglich. Die Auswahlkriterien gelten in gleicher Weise für ETF, börsengehandelte Indexfonds, wobei der SPDR MSCI World Value UCITS ETF noch kein Rating hat.

Der Keppler Global Value-Invest ist eigenen Angaben zufolge nach einer fundamental-quantitativen Auswahlstrategie in preisgünstige Aktien aus Industrie- und Schwellenländern investiert. Vergleichsmaßstab ist der MSCI World Total Return Index. Aktien von US-Firmen waren im Oktober mit einem Fondsanteil von 42 Prozent am stärksten vertreten, gefolgt von britischen Titeln mit zehn Prozent. Schwellenländer-Aktien machten ebenfalls zehn Prozent des Fonds aus.

Einer der maßgeblichen Punkte ist für Keppler, die Ertragskraft von Unternehmen aus dem abzuleiten, was sie in der Vergangenheit geleistet haben und nicht aus dem, was sie behaupten, in der Zukunft zu leisten. „Wir stützen uns deshalb bei unseren Analysen auf die tatsächlich erzielten Unternehmensgewinne und nicht auf Schätzungen. Wichtig ist hier, eine Norm zu entwickeln: Was kann ein Unternehmen in Normalzeiten verdienen?“, sagt Keppler. Hierbei stellt er auf die durchschnittlichen Gewinne in einem Wirtschaftszyklus ab.

Reale Erträge zählen

Der Uni Value Fonds Global A ist einer der bekanntesten unter den herausgefilterten Fonds. Benchmark ist der MSCI World Value Index. Auch in diesem Portfolio waren Stand Oktober US-Aktien mit einem Anteil von gut 60 Prozent am stärksten vertreten. Der nächstgrößte Anteil von 8 Prozent entfiel auf Titel aus Deutschland. „Rezessionen sind für uns als langfristiger Investor eine Chance, vor allem zyklische Unternehmen deutlich unter ihrem langfristigen fairen Wert zu kaufen“, sagt Fondsmanager Stefan Brugger.

Solche Firmen verzeichnen in einem Konjunkturzyklus deutlich schwankende Erträge, etwa Halbleiterhersteller. „Wichtig in der Analyse von potenziellen Kaufkandidaten ist, dass die Nachfrage nach den Produkten des Unternehmens langfristig vorhanden ist und das Unternehmen Phasen temporär schwächerer Gewinne ohne das Risiko von Insolvenz oder Verwässerung durch Kapitalerhöhungen überstehen kann.“

Bei sinkender Nachfrage und höheren Produktionskosten infolge steigender Preise, wie es derzeit der Fall ist, ist für Brugger der Zeithorizont entscheidend: „Die Kernfrage bei einem Nachfragerückgang ist für uns, ob dieser nur temporär oder dauerhaft  ist. Letztendlich steigen ja in einem inflationären Umfeld mit einer gewissen Verzögerung auch Löhne und Gehälter.“ Ein temporärer Rückgang sei eine gute Kaufgelegenheit. Ähnlich sei es bei den Produktionskosten. „Kommen die Margen bei einem Unternehmen nur temporär unter Druck, weil man durch länger laufende Verträge die gestiegenen Kosten erst mit einer Zeitverzögerung weitergeben kann, ist dies für uns eine potenziell günstige Gelegenheit, ein Unternehmen zu einem Zeitpunkt zu kaufen, an dem die Gewinne temporär unter dem langfristigen Potenzial sind“, erläutert Brugger.

„Kommt es zu langfristigen strukturellen Veränderungen, wie dies zum Beispiel bei Energiekosten für in Europa produzierende energieintensive Unternehmen der Fall ist, müssen wir dies natürlich auch bei unserer Prognose des längerfristigen Gewinnpotenzials berücksichtigen“, ergänzt er. „Wenn eine seriöse Prognose nicht möglich ist, werden wir auch nicht investieren.“ In der näheren Zukunft dürfte somit einiges auf die Energiepolitik in Europa ankommen.