Trends am Aktienmarkt
„Die Politik könnte viele Stolperfallen wegnehmen“
15:02 Uhr | 10. Februar | 2023
Die vergangenen fünf Jahre waren für die Aktienmärkte eine sehr wechselhafte Zeit. Was waren nach Ihrer Beobachtung die wesentlichen Einflussfaktoren?
Wir haben im vergangenen Jahr beobachtet, dass die Makroseite doch eine Rolle spielt. Bisher konnten die Notenbanken immer die Börse stützen. 2022 haben wir jedoch zum ersten Mal gemerkt, dass sie an die Grenzen ihrer Fähigkeiten kommen, weil die Inflation nicht mehr beherrschbar ist. Das hat generell zu einer Neubewertung von Aktien geführt. Dazu kamen seit 2020 zahlreiche Krisenthemen: Coronakrise, Krieg in der Ukraine, geopolitische Krisen. Da merkte man, dass die Annahmen, auf der die Arbeitsteilung der Welt beruht, nicht mehr „da“ sind und sich die Prämissen als nicht tragfähig erwiesen haben. Große Themen, die bleiben werden, sind darüber hinaus der Klimawandel und die demografische Überalterung.
Was sind geeignete Strategien, um auf diese und andere Einflussgrößen reagieren zu können oder mit ihnen umzugehen?
Für mich ist das ein ganz einfacher Weg: Ich schaue mir die Bilanzen der Unternehmen an, also die Geschäftsentwicklung und wie sie sich in Zahlen widerspiegelt. Bei einer Firma zum Beispiel, die ich vor kurzem besucht habe, frage ich mich, wie man in den nächsten Jahren ohne die Technologie auskommen soll, die diese Firma entwickelt hat. Sie wird daher in den kommenden Jahren Umsätze und Gewinne bringen und auch in einem anhaltend inflationären Umfeld wirtschaften können. Das ist eigentlich alles, worauf es momentan ankommt. Eine weitere Möglichkeit ist zum Beispiel, in bereits etablierte Firmen in einem wachsenden Markt zu investieren, die eine starke Marktmacht haben.
Ich bin recht positiv gestimmt. Viele negative Einflüsse kommen wahrscheinlich zu einem Ende, vieles normalisiert sich wieder. Die Lieferketten funktionieren wieder besser, auch der Warenstrom von und nach China läuft wieder besser. Wir gewöhnen uns zunehmend daran, dass „Corona“ eine normale Erkältung ist. Warum sollte es also nicht weitergehen an den Börsen?
Die größte Herausforderung für die Wirtschaft ist die Politik, da sie unscharfe Rahmenbedingungen setzt. Etwa bei Themen wie der Übergewinnsteuer, Preisbremsen, Benzinsubventionen. Ohne klare Rahmenbedingungen wird niemand langfristig investieren. Ich wünsche mir eine stetige, verlässliche, zurückhaltende Wirtschaftspolitik, die dafür sorgt, dass die Firmen ihren Part abliefern können, ohne laufend mit Querschlägen rechnen zu müssen. Die Politik könnte viele Stolpersteine einfach wegnehmen – und schon wäre auch die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit viel einfacher.