Frank Thelen: „Tesla ist das interessanteste Technologie-Unternehmen der Welt“

Erst „Löwe“, jetzt Fondsmanager - Frank Thelen über Chancen disruptiver Kräfte, die faszinierendste Technologie und welchen „unfairen“ Vorteil junge Startups jetzt nutzen sollten.

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13:01 Uhr | 05. Januar | 2022
Frank Thelen, Bild: privat

Frank Thelen, Buchautor, Startup-Investor und Juror der Vox-Sendung „Höhle der Löwen“. Bild: privat

procontra: Herr Thelen, die meisten Menschen kennen Sie als Investor bei „Die Höhle der Löwen“. Was hat Sie bewogen, den Aktienfonds „10xDNA Disruptive Technologies“ aufzulegen?

Frank Thelen: Ich investiere privat schon länger den liquiden Teil meines Vermögens in Technologieaktien. Durch neue Technologien wie Künstliche Intelligenz, 3D-Druck, Blockchain, Roboter und vieles mehr sehe ich hier in den kommenden Jahren auch am öffentlichen Markt großes Potenzial und wollte diesen Bereich meiner Geldanlage ebenso professionalisieren wie mein Venture Capital-Geschäft mit Freigeist Capital. Mit 10xDNA Capital Partners bauen wir ein größeres Expertenteam auf, das die Technologien hinter den Unternehmen fundiert bewerten und unseren Venture Capital-Ansatz auf den Aktienmarkt übertragen kann. Über den 10xDNA Fonds wollen wir Privatanlegern die Möglichkeit geben, an diesem Ansatz teilzuhaben.

procontra: Wie viel Vermögen haben Sie selbst in den Fonds investiert?

Thelen: Ich habe den Fonds in erster Linie initiiert, um mein eigenes Vermögen effektiv zu verwalten und mir ein Team aus Biologen, Chemikern, Physikern und Kapitalmarktexperten aufbauen zu können. Aktuell habe ich knapp 10 Millionen Euro in den Fonds über frei zugängliche Tranchen investiert, ein Großteil meines Geldes ist momentan noch in meinen Startup-Investments gebunden und wird schrittweise in den Fonds fließen. Neben mir sind alle Freigeist Partner, das 10xDNA Management und viele unserer Gründer und Partner investiert. Wir öffnen unsere Strategie für Privatanleger und nutzen die Gebühren, um ein breites Expertenteam zu finanzieren. Weder ich noch andere Freigeist Partner erhalten Zahlungen vom Fonds, alle Einnahmen gehen ins Research- und Management-Team.

procontra: Wie erfolgt die Auswahl der Portfoliounternehmen?

Thelen: Unser Investment-Prozess folgt einem klaren Schema: Zunächst identifizieren wir einen Markt, in dem wir durch Ineffizienzen und neue technologische Entwicklungen das Potenzial für signifikantes Wachstum oder Werteverschiebung sehen. Dann ermitteln wir die führenden Player in diesem Markt anhand von fünf Faktoren: Technologische Führerschaft, Management, Strategie/operative Umsetzung, politische/strukturelle Risiken sowie Nachhaltigkeit.

procontra: Und wo bleiben klassische Bewertungskriterien?

Thelen: Die Hauptkriterien des klassischen Value-Investings wie Buchwerte und so weiter haben für uns eine untergeordnete Rolle, da sie exponentielle Wachstumschancen nicht adäquat abbilden können. Wir wollen die Unternehmen identifizieren, die durch ihre technologische Platzierung und ihre Disruptionskraft das Potenzial haben, exponentiell zu wachsen. Das sehen wir zum Beispiel bei Palantir und Coinbase. Palantir ist mit seiner Business Intelligence Software in einem sehr attraktiven Markt unterwegs, für die meisten CIOs steht das Thema Business Intelligence aktuell sehr weit oben auf der Agenda. Coinbase sehen wir als Investment in die gesamte Krypto-Ökonomie, die unserer Einschätzung nach gerade erst am Anfang steht, da die darunter liegende Distributed Ledger Technologie viele Ineffizienzen unserer Finanzindustrie ausgleichen wird.

procontra: Die größte Position im Fonds ist Tesla. Nicht wenige Analysten halten die Aktie für zu teuer. Gründer und CEO Elon Musk selbst hat etliche Anteile verkauft. Wieso sind Sie von Tesla überzeugt?

Thelen: Für uns ist Tesla das interessanteste Technologie-Unternehmen der Welt. Die Autos bei Tesla sind vergleichbar mit den Büchern bei Amazon. Tesla ist führend in Batterie-, Produktions-, Chip-, KI-Technologie und vielen weiteren entscheidenden Feldern. Vor allem ist es Elon Musk gelungen, eines der hochwertigsten und progressivsten Teams aufzubauen.

procontra: Welche Rendite strebt der Fonds an?

Thelen: Wir haben ein sehr konzentriertes Portfolio, weshalb auch mit einer höheren Volatilität zu rechnen ist. Grundsätzlich sehen wir den Fonds als Beimischung zu einem ausgewogenen Portfolio für Anleger mit einer gewissen Risikobereitschaft und einem Anlagehorizont von mindestens fünf Jahren. Wenn es nach Plan läuft, sollten wir das Geld in vier bis acht Jahren verdreifachen.

Procontra: Wofür steht eigentlich der Begriff „10xDNA“?

Thelen: 10xDNA beschreibt das Mindset, das es braucht, um die Chancen technologischer Disruption zu erkennen. Unternehmen mit 10xDNA setzen die neu entstehenden Technologie-Plattformen wie KI, 3D-Druck, Blockchain und Co. ein, um Produkte zu bauen, die 10x besser, effizienter und nachhaltiger sind. Diese Unternehmen wollen wir für den 10xDNA Fonds identifizieren.

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procontra: Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen für Technologie-Start-ups in Deutschland?

Thelen: Wir haben in Deutschland erstklassige Universitäten, Forschungseinrichtungen und das nötige Talent, um in der Technologieforschung eine führende Rolle einzunehmen. Dennoch sind die letzten großen Tech-Konzerne alle in den USA und China entstanden. Was uns fehlt, ist das nötige Mindset und vor allem das Kapital, um wirklich große Innovationen umzusetzen. Mit Lilium Aviation haben wir nach meiner persönlichen Einschätzung zum ersten Mal seit langem das Potenzial, in einem neuen Wachstumsmarkt eine führende Rolle einzunehmen. Als Seed-Investor kenne ich die Herausforderungen, dieses Vorhaben aus Deutschland heraus umzusetzen. Der Börsengang von Lilium im September hat aber auch gezeigt, dass es möglich ist.

procontra: Welche technologische Entwicklung fasziniert Sie aktuell am meisten?

Thelen: KI wird in den kommenden Jahren die tiefgreifendsten Veränderungen mit sich bringen und beinahe jeden Bereich unseres Alltags beeinflussen. Sie ist zentraler Bestandteil zahlreicher bevorstehender Durchbrüche von der Krebsforschung bis zum autonomen Fahren. Für uns Menschen ist exponentielle Entwicklung nur schwer zu begreifen, da wir von Natur aus linear denken. Deshalb kommt diese Technologie vielen bei dem Gedanken an Sprachassistenten wie Siri und Alexa auch noch sehr weit weg vor. Tatsächlich wird die Entwicklung aber immer schneller und mit jedem Datensatz, der dazu kommt, wird KI neue Anwendungsmöglichkeiten bekommen.

procontra: Sie waren jahrelang Juror in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“. Warum sind sie 2020 ausgestiegen?

Thelen: Meine Freigeist-Partner und ich haben gemeinsam beschlossen, uns wieder zu 100 Prozent auf unser Kernthema zu fokussieren: Technologie. Wir wollen europäische Gründer unterstützen, die das Potenzial haben, den nächsten Technologie-Weltmarktführer in einem relevanten Markt aufzubauen. DHDL ist ein großartiges Format, sehr erfolgreich und hat zu Recht viele Preise gewonnen. Aber Quantencomputer, Satelliten, Energiespeicher und komplexe Softwaresysteme passen nicht in die „Höhle der Löwen“.

procontra: Welchen Ratschlag haben Sie für junge Gründer?

Thelen: Nutzt den unfairen Vorteil eurer Zeit: Euch steht sämtliches Wissen dieser Welt zur Verfügung. Die Bedingungen waren noch nie besser, ein Unternehmen zu gründen. Der Zugang zu Wissen, zu unbegrenzter Rechenleistung und zu potenziellen Kunden weltweit sind eine enorme Starthilfe, die viele Generationen von Gründern vor euch nicht hatten. In den kommenden Jahren werden auf Basis von neuen Technologieplattformen unzählige neue Branchen und Märkte entstehen, in denen auch junge Unternehmen mit disruptiven und innovativen Ideen Fuß fassen können. Also legt los und hört nie auf, euch weiterzubilden und die technologischen Entwicklungen in eurem Markt zu verfolgen.

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