Kaldemorgen-Manager im Interview: „Anleger sollten über einen Einstieg nachdenken“

Ende September wurde Christoph Schmidt zum Co-Lead Manager des DWS-Flaggschiffsfonds „Concept Kaldemorgen“ berufen. Mit procontra sprach er über das herausfordernde Marktumfeld, den Trend zu nachhaltigen Investments und den Marktaussichten für 2023.

09:11 Uhr | 11. November | 2022
DWS-Finanzexperte Christoph Schmidt Bild: DWS

Ist seit September einer der Manager des "Concept Kaldemorgen": DWS-Finanzexperte Christoph Schmidt Bild: DWS

procontra: Herr Schmidt, Sie und der DWS-Grande Klaus Kaldemorgen sind inzwischen Co-Lead Manager von seinem Mischfonds „Concept Kaldemorgen“. Wie hat sich der Fonds in diesem äußerst schwierigen Marktumfeld geschlagen?  

Christoph Schmidt: Für die ersten neun Monate 2022 sind wir 4,6 Prozent im Minus. Angesichts der Tatsache, dass die Aktien- und die Anleiheindizes seit Januar zweistellige Verluste gemacht haben, und mit Blick auf den Wettbewerb sind wir mit der Performance nicht ganz unzufrieden. Wir sind sogar über neun Prozentpunkte besser als unsere Peergroup. Das diesjährige Marktumfeld ist ein riesiges Dilemma für alle Mischfonds, weil die Anleiheindizes genauso stark unter Druck stehen wie die Aktienmarktindizes. Diese Assetklasse fällt also als sicherer Hafen für die Investoren aus.  

procontra: Verspricht aber nicht die Total-Return-Strategie des Fonds eine positive Rendite unabhängig von der Marktentwicklung?  

Schmidt: Nein. Unser Ziel ist es, mit einer Kombination aus Flexibilität und einem sehr disziplinierten Risikomanagement langfristig attraktive Renditen zu erzielen. Und da haben wir geliefert: Seit Auflegung des Fonds im Jahr 2011 hat der Concept Kaldemorgen eine Rendite von knapp 4 Prozent per annum erreicht. Unser Produkt eignet sich für den konservativen Anleger, der sagt: Ich sehe zwar das langfristige Potenzial an den Kapitalmärkten, aber die Schwankungen sollten sich möglichst nur im einstelligen Bereich bewegen. Für aktienaffinere Anleger gibt es den „Dynamic Opportunities” (Volumen: 3,2 Milliarden €; Anm. d. Red.), den ich schon länger eigenständig manage.  

procontra: Was waren die Gründe für die Outperformance gegenüber dem breiten Markt?  

Schmidt: Wir haben schon im letzten Jahr erkannt, dass die Inflation stark anzieht und dies wiederum zu höheren Zinsen führen wird. Daraufhin haben wir auf steigende Zinsen und fallende Anleihekurse gesetzt. Im Ergebnis heißt das, dass wir aus den Anleihekomponenten des Fonds einen Performancebeitrag von rund 1 Prozent erzielt haben. Wir haben auch einen positiven Beitrag von unseren Goldinvestments, die derzeit etwa 8 Prozent des Portfolios ausmachen. Herbe Verluste im Aktienbereich konnten wir vermeiden, da wir seit Beginn des Krieges in der Ukraine im Portfolio defensiv aufgestellt waren. Wir sind tendenziell rausgegangen aus den Wachstumsthemen wie Technologie und stärker rein in die defensiven Themen wie Telekommunikation und Pharma. Außerdem war die starke Aufwertung des Dollars gegenüber dem Euro ein Faktor.  

procontra: Haben Ihnen die Anleger trotz des Minus die Treue gehalten?  

Schmidt: Absolut. Im letzten Quartalsbericht steht, dass der Multi-Asset-Bereich, also vor allem der Concept Kaldemorgen, Zuflüsse in Höhe von 600 Millionen Euro verbuchte. Gerade in diesem schwierigen Jahr konnten wir uns von der Konkurrenz abheben und zeigen, dass sich aktives Management lohnt, sowohl im Vergleich zu einem passiven oder auch zu einem benchmarkorientierten Ansatz.  

procontra: Wird das aber auch in der Öffentlichkeit verstanden? Gerade junge und digital affine Menschen hören ständig im Internet, dass aktive Fonds zu teuer und leistungsschwach sind. Sie sollten lieber mit kostengünstigen ETFs sparen…  

Schmidt: Das Sparen mit ETF ist zweifelsohne ein Trend und für viele ein sehr guter Zugang, beispielsweise zum Aktienmarkt. Geht es aber um Multi-Asset-Lösungen, haben die turbulenten Marktphasen der letzten Monate gezeigt, welche Risiken starre, passive Strategien mit sich bringen können. Aktive Manager konnten dagegen die Vorteile ihrer Flexibilität ausspielen. Denn: Plötzlich hatten Anleger mit der Inflation und den steigenden Zinsen einen gewaltigen Gegenwind. Aktive Manager mussten schauen, wie sie das Zinsänderungsrisiko in den Griff bekommen und welche Instrumente dafür zur Verfügung stehen. Das wäre für Privatanleger mit einer passiven Lösung über ETF gar nicht möglich gewesen.  

procontra: Aber nochmals gefragt: Wäre die neue Generation von Anlegern offen für diese Argumente?

Schmidt: Durchaus. In der Pandemie waren Aktien ein Hype. Man konnte mit der Smartphone-App ganz bequem handeln. Viele verfolgten eine Art Alltagsökonomie nach dem Motto: Ich habe selbst ein Netflix-Abonnement, deshalb kann die Aktie nicht so schlecht sein. Aber ich denke, diese Zeit ist vorbei. Viele wollen sich nicht mehr so intensiv mit der Börse beschäftigen, auch weil sie gemerkt haben, dass sie am Ende nicht so erfolgreich waren. Sie haben erkannt, dass man da mehr Arbeit reinstecken muss als gedacht. Ich kenne einige, die sagen: Ich überlasse es lieber einem Fondsmanager, dessen Job es ist, sich mit dem Kapitalmarkt auseinanderzusetzen und lasse mich in meiner jeweiligen Risikokomfortzone abholen. Mein Rat lautet: Wenn man sich für einen Mischfonds entscheidet, sollte es einer sein, der wirklich volle Flexibilität bei der Asset-Allokation hat und der sich nicht relativ eng an einer Benchmark orientiert.

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procontra: Ihr anderer Mischfonds, der DWS ESG Dynamic Opportunities, hat für die ersten neun Monate 2022 ein Minus von 15,4 Prozent erzielt. Das ist zwar besser als die Aktienindizes, Nerven kostet das Ihre Anleger aber schon, oder?  

Schmidt: Obwohl es richtig ist, dass die Performance in diesem Jahr wegen des hohen Anteils an Technologieaktien gelitten hat, bin ich mit dem langjährigen Track-Record des Fonds doch zufrieden. Der Fonds richtet sich an Anleger, die insbesondere die Opportunitäten am Aktienmarkt ausschöpfen wollen. Während der Corona-Krise habe ich von der damaligen Tech-Rally profitiert, nachdem ich die Sektorgewichtung von 7 auf 17 Prozent hochgefahren hatte. Mitte 2021 habe ich dann angefangen, die Gewichtung zu reduzieren, auch weil wir der Meinung waren, dass im Zuge der steigenden Inflation die Zinsen anziehen werden. Ich bin jedoch nur schrittweise ausgestiegen, und man kann argumentieren, dass das nicht schnell oder weit genug ging. Es gibt aber auch Anzeichen, dass sich dieser Sektor in den nächsten Monaten erholen wird. Dann könnte es wieder attraktive Einstiegschancen geben. Insgesamt bleibt das Aktienportfolio ausgewogen ausgerichtet, beispielsweise mit einem Exposure im Gesundheitssektor von 13,2 Prozent und einer Aktienquote von derzeit knapp unter 70 Prozent.  

procontra: Warum trägt der Dynamic Opportunities neuerdings ein ESG-Label?  

Schmidt:  Unser Ansatzpunkt war folgender: Wir haben festgestellt, dass die ESG-Qualität des Dynamic Opportunities schon in der Vergangenheit sehr hoch war. Deshalb waren nur wenige Anpassungen notwendig, um dem Fonds ein ESG-Label zu geben. Der grundlegende Charakter des Fonds blieb also auch nach der Umstellung erhalten. Bei den Anpassungen musste ich nur einige Titel ersetzen, die in der Vergangenheit in Kontroversen verwickelt waren, die das ESG-Rating der entsprechenden Unternehmen belasteten. Von ganzen Sektoren, wie zum Beispiel der Energie, musste ich mich nicht pauschal verabschieden. Das Investmentuniversum wurde deshalb auch nicht zu stark eingeschränkt.  

procontra: Angesichts der Portfoliokonstruktion ähnelt der Dynamic Opportunities eher einem Technologie-Fonds. Zu den größten Positionen des Fonds gehören Microsoft, Google, Amazon und Deutsche Telekom…

Schmidt: Dieser Eindruck täuscht. Die genannten Unternehmen sind von der fundamentalen Einschätzung her sehr attraktiv und verfügen in Sachen ESG über ein gutes Rating. Die Einzeltitel im Portfolio, die die besten ESG-Ratings haben, sind aber nicht vorwiegend aus dem Technologiesektor, sondern aus den Sektoren Finanzen, Industrie, Gesundheit und Versorger.  

procontra: Wie sieht Ihre nachhaltige Investmentstrategie konkret aus?  

Schmidt: Die ESG-Strategie für den Fonds ist eine Kombination aus Ausschlusskriterien und “Best-in-Class”. Wie beim DWS Concept Kaldemorgen auch, werden beispielsweise Tabak- und Rüstungsunternehmen grundsätzlich ausgeschlossen. Zusätzlich kommt der Best-in-Class-Ansatz zum Tragen. Das heißt, ich fokussiere mich beim Dynamic Opportunities auf die Titel, die ein gutes ESG-Rating haben, also in der besseren Hälfte des Rating-Spektrums liegen. Die schlechtere Hälfte der Aktien ist für mich nur in engen Grenzen investierbar. Dieser ESG-Ansatz kann mir helfen, die Risiken zu senken. Ich sehe den Ansatz in erster Linie als einen Qualitätsfilter, und zwar ganz zu Beginn des Investmentprozesses. 

procontra: Die Nachfrage nach ESG-Fonds ist laut einer BVI-Statistik im ersten Halbjahr 2022 stark eingebrochen. Lässt die Begeisterung der Anleger für solche Investments nach?  

Schmidt: Das denke ich nicht. Ich vermute eher, der Einbruch hatte mit den schwachen Märkten zu tun. Unsere Zahlen sprechen nicht dafür, dass das Anlegerinteresse an ESG nachlässt. Im Gegenteil: Wir haben in dem bereits erwähnten Quartalsbericht kommuniziert, dass unsere ESG-Produkte und der Concept Kaldemorgen maßgeblich für die Zuflüsse in diesem Jahr waren.  

procontra: Die hohe Inflation und die steigenden Zinsen dürften eine Rezession in Deutschland auslösen und das Wachstum in der Eurozone und in den USA erheblich dämpfen. Was bedeutet die makroökonomische Entwicklung für die Märkte?  

Schmidt: Sicher lähmt der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen makroökonomischen Folgen die europäische Wirtschaft. Aber für die globalen Aktienmärkte wird das, was in den USA passiert, entscheidend sein. Die Marktteilnehmer werden also schauen, ob es der US-Notenbank gelingt, das Inflationsproblem in den Griff zu bekommen und ein Ende der Zinserhöhungen in Aussicht zu stellen. Im ersten Quartal 2023 werden wir schlauer sein. Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass sich die Inflation bis dahin abschwächen könnte. Die Situation mit den Lieferketten entspannt sich schrittweise, die Rohstoffpreise sind in letzter Zeit unter Druck geraten und die Frachtraten sind gefallen. Für die Aktienmärkte bedeutet das, dass wir nach dem großen Ausverkauf vielleicht eine Art Bodenbildung sehen könnten. Die Markterwartungen an das Gewinnwachstum im nächsten Jahr erscheinen uns zwar insgesamt noch zu hoch. Es ist aber denkbar, dass die Unternehmensgewinne als nominale Größe gar nicht so sehr unter Druck geraten, wie man es im Zuge einer möglichen Rezession normalerweise erwarten würde. Das würde auch den Aktienmarkt unterstützen.

procontra: Heißt das, dass es ein guter Zeitpunkt wäre, in den Markt einzusteigen?  

Schmidt: Es ist schwer zu sagen, ob wir nun den Tiefpunkt erreicht haben und von nun an alles besser wird. Gleichwohl würde ich Anleger ermutigen, über einen Einstieg ernsthaft nachzudenken. Nach so einem starken Rückgang sollte man die Chancen erkennen und sich nicht von den negativen Schlagzeilen zu sehr einlullen lassen. In den Märkten ist viel Negatives bereits eingepreist.

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