Kampf gegen Greenwashing: „BaFin muss viel mehr für den Schutz von Whistleblowern tun“
„Immer mehr Menschen streben danach, ihr Geld nachhaltig anzulegen. Große Teile der Finanzbranche bedienen diesen Trend und verdienen prächtig damit“, schreibt der Verein Finanzwende auf seiner Website. „Doch halten nachhaltige Fonds und Co. eigentlich, was viele von ihnen erwarten? Spätestens die Durchsuchung bei der Deutsche Bank-Tochter DWS hat große Zweifel an den Werbeversprechen vieler Anbieter geweckt“, meint der Verein. Im Mai hatten Beamte des Bundeskriminalamts, der Staatsanwaltschaft und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin die Räumlichkeiten beider Unternehmen wegen des Verdachts auf Kapitalanlagebetrug durch Greenwashing durchsucht.
In dem Web-Seminar „Greenwashing – An inside perspective“ wollte es Finanzwende genauer wissen und lud dazu Desirée Fixler ein – jene frühere Mitarbeiterin der Fondsgesellschaft der Deutschen Bank, die für eine Untersuchung der DWS den Anstoß gegeben hat. Fixler hatte bis zu ihrer Entlassung bei der DWS als Chefin im Bereich Nachhaltigkeit gearbeitet, wo sie auf Ungereimtheiten gestoßen war. „Es gab einen erheblichen Widerspruch zwischen dem, was das Unternehmen nach außen, öffentlich Aktionären und Investoren in Pressemitteilungen, Jahresberichten, Quartalsberichten und an Investorentagen mitgeteilt hat und dem, was intern gesagt und dokumentiert wurde“, berichtet die US-Amerikanerin.
Die DWS habe zum Beispiel nach außen erklärt, dass die Mehrheit des verwalteten Vermögens einer ESG-Strategie entspreche. In der Realität habe es intern jedoch kein Kontrollsystem gegeben, dass dies nachverfolgt. Vielmehr habe Fixler festgestellt, dass nur ein kleiner Teil der Assets under Management einer ESG-Strategie unterliegt. Da Nachhaltigkeit und ESG boomende Strategien gewesen seien, habe die DWS mit ihren Aussagen hohe Mittelzuflüsse von Anlegern verzeichnet. Die DWS weist den Vorwurf des Greenwashings zurück.
Umbau in der Führungsriege
Kurz nach der Razzia im Mai hat der damalige Vorstandschef der DWS Asoka Wöhrmann das Haus verlassen. Vor kurzem wurde bekannt, dass der Leiter der Investitionsabteilung Stefan Kreuzkamp vorzeitig zum Jahresende geht. Zuvor hat auch der Organisationschef Mark Cullen seinen Abschied genommen. Presseberichten zufolge könnte der Abgang des Vorsitzenden des DWS-Aufsichtsrats und stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank Karl von Rohr bevorstehen. Zahlreiche Beobachter sehen die Personalien in Zusammenhang mit dem Greenwashing-Verdacht. Offiziell bestätigt ist diese Verknüpfung nicht.
Für Fixler ist der Aufbau der Firmen ein wesentlicher Punkt, an dem Finanzunternehmen ansetzen können, um Greenwashing entgegenzuwirken. „In der Unternehmensstruktur sollte die Nachhaltigkeitsabteilung nicht mit der Kommunikationsabteilung und nicht mit dem Marketing verbunden sein“, erläutert sie. „Das Nachhaltigkeitsressort sollte als Risikomanager betrachtet werden und das Reporting sollte den traditionellen Weg zum Leiter der Finanzabteilung gehen.“ Die Offenlegung von finanziellen und nichtfinanziellen Informationen müsse auf dem regulären Weg erfolgen, um Genauigkeit zu gewährleisten. Die Offenlegung sei wichtig, um sicherzustellen, dass alles klar definiert ist.
Die Firmen sollten zum Beispiel eindeutig darlegen können, wie in einem Finanzprodukt das Portfolio zusammengesetzt ist, welches Ziel sie dort verfolgen, wie die Daten zustande kommen, die sie nutzen und ähnliches. Sehr wichtig sei außerdem, den Worten Taten folgen lassen – sprich, das, was die Anbieter bezüglich ihrer Produkte schreiben, auch so umzusetzen.
Weltweite Standards sind nötig
„Wir brauchen weltweit standardisierte Reportanforderungen für die Unternehmen und standardisierte Definitionen, kein Zweifel“, hebt Fixler hervor. „In der Zwischenzeit sollten Unternehmen ihr Bestes tun und völlig transparent darin sein, was sie unter ‚ESG‘ und ‚grün‘ verstehen und was in ihren jeweiligen Anlageprodukten enthalten ist. Das ist das allerwichtigste.“
Unternehmen verzeichneten zunehmend wesentliche Cashflows über ESG- oder Nachhaltigkeitsprodukte. „Es ist ein wesentlicher Teil des Geschäfts geworden. Wenn jemand allerdings Umsätze erwirtschaftet über falsch deklarierte Produkte, dann ist das Betrug“, betont Fixler. Greenwashing für sich genommen sei schon schlecht. „Aber mindestens genauso schlecht ist es, es zu vertuschen. Das macht es zu einem Skandal.“
Europa hat aus Fixlers Sicht zwar einen hohen Grad an Richtlinien und Gesetzen – aber sie müssten auch vor Ort durchgesetzt werden. Es gebe eine Mischung aus zahlreichen Vorgaben und viel Bürokratie, jedoch nicht gerade viele Beispiele für Bestrafungen, wenn jemand etwas Falsches getan hat. Vorgaben müssten aber mit einer wirksamen Durchsetzung zusammengehen. Fixler: „Diese ‚Saga‘ ist in Frankfurt passiert. Sie hätte nie in London oder New York passieren können. Dort ist die Aufsicht sehr ausgeprägt.“
Kritik an der BaFin
In Deutschland gebe es zudem deutlich weniger oder keinen Schutz von Hinweisgebern, was reformiert werden müsse. „Die BaFin muss sehr viel mehr tun in Bezug auf den Schutz von Whistleblowern“, rät Fixler. Unternehmen sollten mit Hinweisgebern auf die richtige Weise umgehen. „Beim Whistleblowing geht es um den Schutz Ihres Unternehmens und Ihrer Kollegen und nicht darum, ein Verräter zu sein“, sagt Fixler. „Wenn Sie sehen, dass das Unternehmen etwas falsch macht, melden Sie sich zu Wort, weil Sie nicht wollen, dass das Unternehmen in Schwierigkeiten gerät. Sie wollen nicht, dass es zusammenbricht.“
Es bräuchte womöglich eine bessere Bezeichnung für ‚Whistleblowing‘, da es positives unternehmerisches Handeln sei. Damit sich die Unternehmen verbessern, müssten sich die Menschen mehr zu Wort melden: „Die größten Veränderungen hat es wegen Whistleblowings gegeben. Es ist notwendig und entscheidend.“