Börsenausblick 2023

So gehen Anleger ins neue Jahr

Der Börsenstart in Deutschland und Europa war vielversprechend. Privatanleger haben den Marktturbulenzen der vergangenen Monate getrotzt, ihre Stimmung ist gut. Doch ist ihr Optimismus wirklich begründet?

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11:01 Uhr | 04. Januar | 2023
Börsenausblick 2023: So gehen Anleger ins neue Jahr

Privatinvestoren zeigen sich optimistisch, trotz aller Marktturbulenzen. Aber ist die Zuversicht auch begründet? | Quelle: Galeanu Mihai

Die neu entdeckte Liebe zum Börsenparkett wurde im vergangenen Jahr auf eine harte Probe gestellt. Während der Pandemie schossen gerade Aktien aus dem Tech-Bereich durch die Decke, die Ernüchterung beziehungsweise Kurskorrektur folgte auf dem Fuße. Der Angriffskrieg auf die Ukraine, die exorbitant gestiegenen Energiekosten und mit ihnen eine entfesselte Inflation auf Rekordniveau ließ das Depot der Anleger schrumpfen.

Wer im vergangenen Jahr auf den Deutschen Aktienindex gesetzt hatte, musste einen durchschnittlichen Verlust von über 12 Prozent verknusen. Gerade jüngere Investoren setzten auf die gehypten Kryptoassets – und mussten mit fulminanten Verlusten von über 60 Prozent umgehen.

Ist mit den Entwicklungen der vergangenen Jahre die Begeisterung der Privatanleger nun also getrübt? Offenbar nicht, glaubt man einer aktuellen Erhebung. Demnach erwarten gut 70 Prozent der deutschen Anleger, dass der DAX bis Ende 2023 nicht weiter fallen werde.

Mehr als jeder Zweite (52 %) geht sogar davon aus, dass er in den kommenden zwölf Monaten steigen wird. Das ist das Ergebnis einer Civey-Umfrage im Auftrag des digitalen Vermögensverwalters Growney. „Vielen Anlegern scheint bewusst zu sein, dass auf eine solche Schwächephase der Märkte auch wieder eine Wachstumsphase folgen wird“, sagt Growney-Geschäftsleiter Thimm Blickensdorf. Die Stimmung der Anleger ist hierzulande – trotz aller Unkenrufe – bemerkenswert gut.

Hoher Lippenstift-Absatz: Ein Zeichen für drohende Rezession?

Und das, obwohl der sogenannte Lipstick-Effekt wieder zugeschlagen hat: Steigt nämlich der Verkauf von Lippenstift und anderen Kosmetika, rechnen Ökonomen mit einer sich ankündigenden Rezession. So war es zumindest historisch betrachtet: Ob während der Weltwirtschaftskrise im vergangenen Jahrhundert oder nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Stets ging der Absatz von Kosmetikartikeln mit derlei Zäsuren durch die Decke. Aktuell rechnet der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel mit einem Wachstumsplus von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für 2023 wird sogar mit einem Umsatzplus von fast 14 Prozent gerechnet. Man könnte also sagen: Die Zeichen stehen auf Flaute.

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Allerdings lassen sich Anleger davon ganz offensichtlich nicht beeindrucken, denn eine weitere Studie bestätigt: Die Mehrheit (55 Prozent) der Privatinvestoren bleibt – laut einer weiteren aktuellen Umfrage von J.P. Morgan Asset Management – der Börse treu.

Die starken Marktschwankungen haben das Anlageverhalten also offenbar kaum tangiert. Lediglich sieben Prozent der 1.600 Befragten wolle nicht mehr investieren. Haben also die immerwährenden Rufe von Investmentexperten nach: „Ruhe bewahren, Investments halten, auch bei Marktturbulenzen“, nun endlich Wirkung gezeigt?

Vielversprechender Börsenstart

Tatsächlich sorgt der Jahresstart der deutschen Börse für Optimismus: Der DAX legte bis Donnerstagmittag um 475 Punkte zu und notiert aktuell bei 14.483 Punkte. Das entspricht einer Steigerung um über drei Prozent in den vergangenen fünf Tagen. Die Entwicklungen beim MDAX sehen ebenfalls rosig aus. Er schaffte seit Jahresbeginn eine Steigerung um über fünf Prozent. Ein beachtlicher Start in das Jahr. Ein Grund dafür könnte auch die langersehnte Botschaft über die sinkende Inflation gewesen sein.

Sie lässt auch den Immobilienmarkt darauf hoffen, dass weitere erhebliche Zinssprünge ausbleiben und damit die Finanzierung erleichtert wird. So zogen auch die Immobilienaktien wieder an. Auch dem EuroStoxx 50, der Eurozonen-Index, ist der Start ins Jahr 2023 gelungen, er schaffte bisher einen Zuwachs von drei Prozent.

Gemäß einer alten Börsenregel lässt der Januar Rückschlüsse auf den weiteren Jahresverlauf zu. Aber: Das Jahr ist noch jung. Und: Wirtschaftsexperten sind sich einig, dass Europa eine – wenn auch schwache – Rezession erleben wird. Ausschlaggebend wird sein, wie sich die Energiekrise weiterentwickelt. Bisher waren die Temperaturen vergleichsweise mild, die Gastanks sind noch gefüllt.

Jetzt schnell investieren, oder?

Ist der beste Einstiegszeitpunkt für Investoren also jetzt? Wenngleich eine alte Regel lautet, dass es den richtigen Zeitpunkt nie gibt, wagt der eine oder andere eine Prognose. Demnach haben die Aktienmärkte ihr finales Tief noch nicht erreicht, orakelt Sonja Laud, Chefanlagestrategin bei Legal & General Investment Management gegenüber dem Handelsblatt. Sie rät Anlegern, „auf den Zeitpunkt zu warten, an dem die Gewinnrevisionen am niedrigsten sind“.

Viele Experten glauben, dass sich die Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte wieder erholen werde. Doch neben der Energiefrage ist auch China eine ungewisse Variable. Inwiefern die erstarkte Pandemie sich auf Europa und den Rest der Welt auswirkt, bleibt abzuwarten.