Urteil: Vergleichsportal als Pseudo-Tippgeber ausgebremst

Zahlreiche Vergleichsportale im Internet befassen sich mit Versicherungen. Dazu benötigen sie eine Zulassung als Versicherungsvermittler, auch wenn sie nur allgemeine Informationen zu Versicherungen und lediglich Vorbereitungen für den Abschluss von Policen bieten, entschied das OLG Dresden.

Author_image
08:09 Uhr | 10. September | 2020
Michael Otto

Es häufen sich Fälle, in denen Vergleichsportale keine Zulassung als Versicherungsvermittler besitzen und demnach illegal arbeiten. Makler Michael Otto (Foto) wehrte sich und bekam vom OLG Dresden Recht. Bild: IGVM

Das Bundeskartellamt hatte im vergangenen Jahre mehrere Rechtsverstöße bei Vergleichsportalen gerügt (procontra berichtete). Was die Behörde nicht untersucht hat: Unter Versicherungsvergleichern gibt es zahlreiche Anbieter, die Informationen liefern, Angebote vergleichen und den Versicherungsabschluss vorbereiten, aber gar keine Zulassung als Vermittler besitzen. Sie berufen sich dabei auf den Status als Tippgeber. Für Wilfried E. Simon, Vorstandsvorsitzender der IGVM – Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler, ist das nicht nur unlauterer Wettbewerb, sondern ein gravierender Gesetzesverstoß.

Schon die Bereitstellung von Informationen zu Versicherungen auf einer Webseite sowie die Möglichkeit, mittelbar einen Versicherungsvertrag abschließen zu können (Paragraf 34d Absatz 1 Satz. 4 GewO), begründet den Vermittlerstatus und geht über die Tippgeberfunktion hinaus. Das gilt laut Simon auch für den Fall, dass der Nutzer zum Abschluss einer Versicherung auf eine andere Webseite weitergeleitet wird, deren Betreiber eine Zulassung besitzt (procontra berichtete).

Makler können unlauteren Wettbewerb unterbinden

Hintergrund: Das IDD-Umsetzungsgesetz, seit 23. Februar 2018 in Kraft, hat einen erweiterten Vermittlungsbegriff definiert, um den Verbraucherschutz zu stärken. „Demnach ist auch Versicherungsvermittler (nach Paragraf 59 Absatz 1, Satz 3 VVG), wer eine Vertriebstätigkeit ausführt, ohne dass die Voraussetzungen vorliegen“, erklärt Simon. Daher kann sich niemand mehr auf die Funktion eines bloßen Tippgebers herausreden, sofern er eine Webseite mit Vergleichsrechner betreibt.

Anzeige

Dennoch tat ein Leipziger Portalbetreiber mit seinen Internetpräsenzen kfz-versicherungen.cc und kfz-versicherungsvergleich.de genau das. Versicherungsmakler Michael Otto, Inhaber von Otto Assekuranzmakler KG und zugleich 1. stellvertretender IGVM-Vorsitzender, machte ihn auf den Missstand aufmerksam und ließ ihn schließlich durch die auf Vertriebsrecht spezialisierte Kanzlei Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft abmahnen. Der Mann wollte jedoch nur Tippgeber gewesen sein. Daraufhin verklagte Otto ihn auf Unterlassung – mit Erfolg.

Makler verhindert unzulässige Vermittlertätigkeit

Das Oberlandesgericht Dresden (OLG) untersagte dem Betreiber mit Urteil vom 28. Juli 2020 die Tätigkeit als Versicherungsvermittler, ohne dafür die behördliche Erlaubnis der zuständigen IHK zu besitzen (Az.: 14 U 140/20 – die Frist für eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH lief am 3. September ab). Begründung: Die beanstandeten Internetauftritte dienten der konkreten Vertragsanbahnung von Versicherungen. Die Kosten des Streits vor zwei Instanzen (auch das Landgericht Leipzig hatte der Betreiber in 1. Instanz zur Unterlassung verurteilt) in Höhe von rund 15.000 Euro muss der Leipziger tragen.

Schon die sogenannte Tchibo-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) hatte 2013 die Tippgeber-Argumentation und damit den illegalen Versicherungsvertrieb von Tchibo gestoppt (Az.: I ZR 7/13). Auf der Tchibo-Homepage waren neben klassischen Versicherungen auch Finanzprodukte per Mausklick offeriert worden, ohne dass hierfür eine gesetzliche Genehmigung vorlag.

Der Kaffeeröster hatte sich selbst nur als Tippgeber betrachtet und als solcher von einer Genehmigungspflicht befreit gesehen. Laut BGH gingen die Tchibo-Aktivitäten für einen reinen Tippgeber zu weit, da nicht nur Kontaktdetails weitergegeben, sondern dem Kunden die Möglichkeiten zu einem Online-Abschluss für konkrete Produkte offeriert wurden.

Seite 1: Erweiterter Vermittlerbegriff hebelt Tippgeber aus
Seite 2: Wie Gerichte mit Urteilen den Verbraucherschutz stärken

Führen die Spuren im Hintergrund zu Check24?

Mit dem OLG-Urteil ist die Geschichte des Kfz-Vergleichsportal-Betreibers aber nicht zu Ende, betrieb der Mann doch die Websites als „Affiliate-Partner der Check24-Unternehmensgruppe“, wie das Landgericht Leipzig festgestellt hatte. Das Portal nutzte und bediente „Tarifcheck.de“, recherchierte jetzt der Branchendienst „versicherungstip“.

Betreiber ist die TARIF CHECK24 GmbH. Laut Impressum auf der Homepage verdient man sein Geld so: „Für jeden erfolgreichen Vertragsabschluss erhält Tarifcheck.de eine Provision von dem Produktanbieter. Tarifcheck.de stellt damit für die Anbieter im Vergleich zu anderen teuren Marketingaktivitäten einen kostengünstigeren Vertriebsweg dar.“ Gleichzeitig betont man, kein Versicherungsvermittler zu sein. Nach Recherche von „versicherungstip“ weist ein Handelsregisterauszug von 2013 einen bereits seit 2009 gültigen Gewinnabführungsvertrag mit der Check24 Vergleichsportal GmbH aus.

Fazit: An der Front finden sich meist Unbedarfte, während die mächtigen Strippenzieher gern im Hintergrund bleiben. Versicherer sollten bei großen Portalen genauer hinschauen, ob das zugeführte Geschäft legal vermittelt wurde. Der Wildwuchs an illegaler Versicherungsvermittlung und eigentlich verbotener Annahme des Geschäfts wirft kein gutes Licht auf die Selbstreinigungsversuche der Branche mit dem GDV-Vertriebskodex (procontra berichtete).

Klare Rechtslage gegen Tippgeber-Ausrede

Ganz am Rande: Die Verletzung von Vorschriften über erlaubnisbedürftige Gewerbe stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann durch die IHK mit einer Geldbuße bis zu 5.000 Euro geahndet werden (nach Paragraf 144 GewO) oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden (nach Paragraf 148 GewO).

In seinem Urteil vom 31. Mai 2018 hatte der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass die den Abschluss eines Versicherungsvertrages betreffenden Vorbereitungsarbeiten auch dann unter den Begriff der Versicherungsvermittlung fallen, wenn der betreffende Versicherungsvermittler nicht die Absicht hat, einen tatsächlichen Versicherungsvertrag abzuschließen (Az.: C-542/16).

Seite 1: Erweiterter Vermittlerbegriff hebelt Tippgeber aus
Seite 2: Wie Gerichte mit Urteilen den Verbraucherschutz stärken